Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
fallen. Das kommt den anderen wie gerufen, um das peinliche Schweigen zu brechen. Sogar Jofre, der sich vermutlich der Verpflichtung entziehen will, Martí darauf zu antworten, was er von seiner sexuellen Neigung hält.
»Geht’s dir nicht gut, Oma?«
Dolors hat wohl ein so betretenes Gesicht gemacht, dass ihre Familie wer weiß was denken muss. Vielleicht glauben sie ja, dass Martís sexuelle Orientierung sie empört. Zum Glück weiß ihr Enkel, dass dem nicht so ist. Schnell schüttelt Dolors den Kopf und lächelt, um die Aufmerksamkeit wieder von sich abzulenken.
Dabei ist ihr etwas furchtbar Wichtiges eingefallen. Was wird aus Fèlix? Nimmt Martí das Kätzchen mit? Dann kann sie es ja gar nicht mehr sehen und mit dieser Maus verfolgen, genau umgekehrt wie in der Wirklichkeit. Also wirklich, Dolors, schimpft sie ein bisschen mit sich selbst, es hat dich ja richtig gepackt, computersüchtig nennt man das wohl heutzutage, wie kann sie sich bloß den Kopf über solch ein Tierchen zerbrechen! Anscheinend wird man im Alter oberflächlich, aber es ist eine Tatsache, dass Dolors sich um die Katze sorgt. Doch ihre Unruhe findet ein schnelles Ende, denn wie gewöhnlich erahnt Martí, was die plötzlich so traurige Miene seiner Großmutter zu bedeuten hat.
»Meinen Computer lass ich übrigens erst mal da. Dani hat einen sehr guten Rechner. Später sehen wir dann weiter.«
Fèlix bleibt ihr erhalten, Gott sei Dank. Gestern erst hat sie wieder mit ihm gespielt, aber Oma, willst du dennwirklich nichts anderes lernen, wollte Martí wissen, worauf Dolors nur den Kopf schüttelte. Schau mal, fuhr er fort, da sind noch mehr Katzen. Martí wollte nach der Maus greifen, doch Dolors zierte sich zunächst. Nun hab dich nicht so, ich zeig’s dir nur, und wenn es dir nicht gefällt, kehren wir zu deinem Fèlix zurück, keine Sorge, der läuft nicht weg. Martí zog sich einen Stuhl heran, und dann veranstaltete er mit der Tastatur und der Maus auf dem Bildschirm ein wahres Spektakel, mit Zaubertricks, einer Menge Buchstaben und dem Wort Katze, das er schrieb und das irgendwie das Innenleben dieses Apparates ansteckte. Denn offenbar gibt es darin ja Leben. Noch ein Taschenspielertrick, und gleich darauf erschienen Katzen über Katzen, auf vielen kleinen Fotos. So, Oma, jetzt musst du mir nur sagen, welche dir gefällt, und dann mache ich sie dir groß. Dolors schmollte, sie war nicht in der Stimmung, dass ihr auch nur eine davon hätte gefallen können. Ach, Oma, meinte ihr Enkel, gib ihnen eine Chance, da sind doch ein paar richtig possierliche dabei … schau, die hier zum Beispiel. »Die hier« war eine weiße Katze, die auf Martís Befehl hin den ganzen Bildschirm einnahm. Sie starrte Dolors an und leckte sich die Schnurrhaare, als wollte sie sie gleich fressen.
Wozu haben wir all die Philosophen, wenn es am Ende so aussieht. Wozu sind all die Reden gut, die vielen philosophischen Gedankengebäude, wenn man letzten Endes auf Knopfdruck eine Katze dazu bringen kann, dass sie einen anschaut und sich die Schnurrhaare leckt.
Diese Katze will ich nicht!, hätte sie am liebsten aufgeschrien, ich mag nicht, wie sie mich anschaut und sich die Schnurrhaare leckt. Dolors verschränkte die Arme undschmollte wie ein verwöhntes Gör. Martí sah sie an und lachte, schon gut, Oma, ich hole dir dein Lieblingstierchen zurück, ich sehe schon, meine Experimente überzeugen dich nicht. Klick, klick, und dann war Fèlix wieder da, ihr kleines Kätzchen, das sich von ihr nicht fangen lässt, sosehr ihre runzligen Hände es mit der Maus auch jagen: Immer taucht es in einer anderen Ecke des Bildschirms wieder auf und verschwindet, sobald sie sich ihm nähert.
Was den Computer angeht, fühlt sie sich, offen gesagt, arg beschränkt. Aber sie will es ja eigentlich auch nicht lernen. Anfangs hatte sie schon Lust, doch sobald ihr Fèlix begegnet war, wollte sie nicht mehr. Warum sie sich weigert zu lernen, wie man diese kleine Welt voller Überraschungen bedient, weiß sie nicht genau. Offenbar streikt ihr Verstand. Genug, ich will es nicht.
Doch beschränkt ist sie nur, was den Computer angeht, und sie findet es merkwürdig, in den Augen der anderen in allem als beschränkt zu gelten. Wenn die wüssten, dass sie das perfekte Verbrechen begangen hat. Die richtige Methode zu finden war gar nicht so leicht. Aber Geduld und Intelligenz gehören zusammen, das sagt sie ja immer, ohne Geduld kommt man nicht weit. Einen Menschen, der intelligent, aber
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