Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Dolors fasste sich ein Herz, knipste die Lampe an und trat an sein Bett. Mein Gott, was für ein rotes aufgedunsenes Gesicht, dachte sie, oder kommt das bloß vom Fieber? Laut sagte sie, für den Fall, dass Eduard sie hörte, wenn das so bleibt, gehe ich morgen früh den Arzt holen. Richte dich mal etwas auf, bat sie, und da öffnete Eduard die Augen. Er schaute und schaute doch wieder nicht, seine Augen blickten wie die eines Irren. Ich … ich habe das Staubtuch an der Tür hängen lassen, stammelte er, sodass Dolors dachte: Ist das deine einzige Sorge? Sie gab ihm die nächste Tablette, ruh dich aus und deck dich ja nicht auf, nicht dass du dich auch noch erkältest. Es ist so heiß, stöhnte er da und wollte die Bettdecke von sich stoßen, weshalb Dolors schnell das Licht ausmachte und ihn im Dunkeln zudeckte, sicher sah er bereits aus wie ein Außerirdischer. So habe ich mich an dem Tag gefühlt, als ich die Allergie hatte, murmelte er, da hat auch die Haut gebrannt wie Feuer, genau wie jetzt. Das ist das Fieber, erwiderte sie, schlaf jetzt. Wasser, Wasser, wimmerte er noch, und Dolors gab ihm einen Schluck zu trinken und zur Beruhigung noch etwas Sirup.
Sie aß allein zu Abend. Das heißt, sie saß davor, denn sie rührte das Essen nicht an, sie brachte einfach keinen Bissen hinunter. Danach ging sie ins Bett und wünschte, dass der Schlaf endlich käme. Doch der Schlaf kam nicht. Sie konntenoch so viele Türen schließen, Eduards Keuchen drang tief in ihr Gewissen ein.
Vielleicht heult Leonor ja deshalb. Natürlich, das ist auch Grund genug zum Heulen, bestimmt fühlt sie sich schuldig … Oder müsste es zumindest, denn das mit Sandra kommt davon, dass sie nicht aufgepasst hat, ob die Kleine was isst, und auch sonst hat sie sich nicht um sie gekümmert. Aber da ist noch etwas anderes. So wie Leonor heult, hat das mit Sicherheit mehrere Gründe.
Eigentlich geht das Rückenteil wirklich schnell zu stricken, aber heute zittert Dolors’ Hand noch mehr als sonst, und sie weiß nicht so richtig, warum. Heute fällt es ihr schwer, die Stricknadeln festzuhalten, und auch die Maschen rutschen ihr dauernd herunter. Ein ganz schöner Schlamassel ist das, dabei geht es eigentlich nur darum, das Vorderteil nachzustricken. Heute bist du ein rechtes Nervenbündel, Dolors, bestimmt bist du erschöpft von diesen ganzen Gefühlswallungen, in dieser Wohnung passiert aber auch wirklich ein Desaster nach dem anderen. Wie zum Beispiel Jofres und Leonors Art und Weise, den Kampf gegen die Magersucht aufzunehmen, obwohl das, ehrlich gesagt, vor allem die Idee ihrer, Dolors, Tochter war. Als es Sandra gestern wieder besser ging und sie aufstehen konnte, sagten sie zu ihr, sie hätten im Wohnzimmer eine Überraschung für sie. Sandra begann zu schwitzen, das konnte man ihr schon von weitem ansehen, als sie zur Tür reinkam. Doch Leonor hatte nun einmal beschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen, und zwar auf die denkbar schlechteste Weise, ohne jegliche Raffinesse. Dolors’ jüngere Tochter ist wirklich mit Blindheit geschlagen. Wie kann das sein?, fragte sich Dolors, die mit geschlossenenAugen dasaß, hmmmm … was riecht hier so köstlich nach Schokolade?
Dolors’ Vater mochte keine Schokolade, vielleicht hatte ja ihre Mutter eine Schwäche dafür gehabt, doch daran kann sich Dolors nicht erinnern. Es kam ihr immer so vor, als hätte nur sie allein diesen Tick. Als Eduard nach der Hochzeit aufgehört hatte, ihr Pralinen zu schenken, knapste sie hin und wieder ein paar Münzen vom Haushaltsgeld ab, um sich selbst welche zu kaufen. Denn die Versuchung war einfach zu groß.
Es gibt nichts Besseres als Schokolade. Ob fest oder flüssig, ist dabei ganz egal. Als Leonor und Jofre gestern ihrer Tochter eine Tasse köstliche heiße Schokolade servierten, war Dolors beinahe wie von Sinnen von dem Duft, der sich im ganzen Wohnzimmer ausbreitete. Als Sandra noch ein kleines Mädchen war, war sie ganz verrückt nach dickflüssiger, heißer Schokolade und Hefeschnecken gewesen. Dieses Laster hat sie von dir, sagte Leonor immer zu ihrer Mutter, halb scherzhaft und halb eifersüchtig, dass ihre Tochter eine Leidenschaft mit der Oma teilte. Lass mich die Kleinen auf eine Schokolade mitnehmen, bat Dolors oft, wenn sie ihre Enkel besuchen kam. Schon wieder?, versuchte sich Leonor dann zu widersetzen, doch schließlich gab sie nach, sodass Dolors mit Sandra und Martí des Öfteren einen Spaziergang in die Carrer Petritxol
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