Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
dick, fügte sie hinzu, als sie den frustrierten Gesichtsausdruck ihrer Eltern sah. Sie sah sie mit großen Augen an, Augen, die um Verzeihung dafür baten, dass sie sich nicht imstande fühlte, ihnen zu gehorchen.
Es steht schlimm um ihn, Senyora, ich muss einen Krankenwagen rufen. Ich habe mich mit den Medikamenten vertan, stimmt’s?, flüsterte Dolors, mit Tränen in den Augen. Allerdings, der Arzt hielt den Zettel, auf dem Eduards Allergien aufgelistet waren, und die Antibiotika in der Hand. Eduard war inzwischen von oben bis unten eine einzige Quaddel, und er hatte extrem hohes Fieber, um die vierzig Grad. Sie haben ihm das gegeben, was Sie selbst einnehmen sollten, ich weiß nicht, ob wir ihn durchbringen werden. Dolors raufte sich die Haare, du lieber Himmel, was habe ich bloß getan! Wie sehr sie litt, ahnten weder der Arzt noch die Sanitäter, die gleich darauf angebraust kamen, o mein Gott, wie sehr sie es doch bereute, sie wollte Eduard jetzt nur noch retten, koste es, was es wolle.
Probier doch zumindest mal, Sandra, bitte, tu uns denGefallen. Schokolade … Weißt du nicht mehr? Mit Oma und Martí bist du als Kind immer im Café Schokolade trinken gegangen, da habt ihr drei es euch richtig schmecken lassen, stimmt’s, Oma? Und dann bist du heimgekommen und hast jedes Mal über beide Backen gestrahlt, und gerufen, es gäbe nichts Besseres auf der Welt als Schokolade, und wenn du groß wärst, würdest du Chocolatier werden. Da gab Sandra sich einen Ruck, nippte ein wenig an der Tasse, während ihre Eltern ihr aufmerksam zusahen, sprang dann auf und rannte in ihr Zimmer, wo sie sich einschloss. Na, wenigstens hat dein Körper jetzt ein paar Zuckerkörnchen aufgenommen, dachte Dolors voller Mitleid. Ach, Sandra, Sandra, so bist du und so bleibst du, solange du Eltern hast, die den Kopf in den Wolken haben, eine Mutter, die beleidigt ist, anstatt dich zu trösten, wenn deine erste Liebe dir den Laufpass gegeben hat, und einen Vater, der nur daran denkt, jemanden zur Befriedigung seiner Triebe zu finden.
Offenbar ist das Leben so. Für dich wird es sehr hart und schwierig werden, meine Kleine.
Mit großer Mühe versucht Dolors, ihre zittrige Hand unter Kontrolle zu bringen, damit sie endlich das Rückenteil weiterstricken kann. Aber da kommt Leonor in Tränen aufgelöst herein. Dolors vermutet, dass nun die Stunde der Wahrheit gekommen ist.
»Das kann doch alles nicht sein, Mama, es ist wirklich zum Verzweifeln, alles geht schief. Schau dir Sandra an, was sollen wir nur mit diesem Mädchen machen? Was haben wir getan, dass sie so geworden ist? Gewiss, man kann sich seine Kinder nicht aussuchen, aber ich …«
Leonor macht eine Pause, um sich zu schnäuzen. Ach,Gottchen, denkt Dolors, das sind genau meine Worte: Man kann sich seine Kinder wirklich nicht aussuchen. Wenn du dich sehen könntest, Leonor! Du machst genau das, was alle Kinder vor ihren Müttern tun: Heulen, wenn’s einem schlecht geht. Es ist immer das Gleiche. Aber nun sag schon, dafür sind wir Mütter ja da, denkt Dolors, und Leonor fährt auch tatsächlich mit ihrem Monolog fort.
»Außerdem … außerdem … Dass Martí homosexuell sein soll, ist mir egal. Soll er doch sein, was er will, aber … ach Mama, so … so werde ich doch keine Enkel bekommen!«
Vor lauter Schluchzen kann sie nicht weitersprechen, und Dolors bleibt vor Staunen beinahe der Mund offen stehen. Dass Enkel für jemanden so wichtig sein könnten, hätte sie nie gedacht, aber anscheinend ist es so, denn sie hört diese Worte nicht zum ersten Mal von einer Frau. Allerdings ist es reichlich töricht, sich mit einer schwerkranken Tochter darüber Sorgen zu machen, ob man irgendwann Enkel bekommt oder nicht. Doch Leonor ist anzusehen, dass es noch weitere Gründe dafür gibt, warum sie solch ein Häufchen Elend ist.
»Und in der Firma läuft es auch nicht gerade gut … Víctor, der Sohn des Widerlings, du weißt … na ja, erst hat er meine Fähigkeiten ja sehr geschätzt, aber heute hat er die Abteilungsleitung neu besetzt, ich weiß nicht, wieso, aber in der Wirtschaft scheint das nun mal so zu sein, wenn man nicht gut genug ist … Er … er hat mir jemanden vor die Nase gesetzt. Du kennst sie … Glòria … die, die neulich hier war.«
Gelegentlich denkt Dolors, dass das Leben wie der Puck ist, der im Sommernachtstraum, der nichts Besseres zu tunhat, als aus Jux und Tollerei Verwicklungen herbeizuführen und reichlich
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