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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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wünsche ich niemandem.«
    »Aubrey, hör mir zu«, sagte er. Er ergriff ihre Hände. Er trug keine Handschuhe, und seine Haut war eisig. »Ich möchte sehen, wohin diese Sache führt. Wenn ich dich jetzt gehen lasse, bereue ich es womöglich für den Rest meines Lebens. Ich weiß nicht, ob ich damit leben könnte.«
    »Für den Rest deines Lebens … Und was ist mit dem Wahnsinn?«
    »Was soll damit sein?«
    Sie verlagerte das Gewicht in ihren Stiefeln. Unter dem Saum ihres Nachthemds sahen sie lächerlich aus. »Er scheint in der Familie zu liegen. Zumindest taucht er immer wieder auf. Sagen wir mal, rein hypothetisch, wir … wir würden gemeinsam alt werden. Was dann? Was wirst du tun, wenn ich verrückt werde?«
    Sein Blick war fest. »Und was wirst du tun, wenn ich irgendwann einmal Krebs bekomme? Oder eine Herzerkrankung? Oder irgendetwas anderes?«
    »Na ja, so gesehen – « Aubrey bemerkte aus dem Augenwinkel, wie im Haus gegenüber ein Licht anging, und sie wollte schon vorschlagen, ins Haus zu gehen. Doch Vic streckte die Hand aus und berührte ihre Wange, womit er sie wortlos bat, sich wieder ganz auf ihn zu konzentrieren.
    »Ich hätte manches anders machen sollen«, erklärte er. »Ich gebe es zu: Ruth jagt mir Angst ein. Okay? Ich wollte mich aus den verschiedensten Gründen mit ihr gutstellen. Und, ja – bis heute Abend war mir nicht bewusst, wie … kompliziert es ist, mit der Strickerei verbunden zu sein.«
    »Du meinst, mit mir verbunden zu sein«, unterbrach Aubrey ihn.
    »Nein.« Seine Daumen fuhren ihre Kieferknochen entlang. »Nicht mit dir.«
    »Nein?«
    In seinem Gesicht blitzte kurz ein Lächeln auf. »Mit dir ist es nicht kompliziert. Was ich für dich empfinde, ist vielleicht das Unkomplizierteste, was ich je empfunden habe.«
    »Vic …«
    »Als du heute Abend angefangen hast, so zu reden, mich zu warnen, dass ich Kunden und sogar Freunde verlieren könnte, da hätte ich dich einfach unterbrechen sollen. Ich hätte dich küssen sollen, damit du kein einziges weiteres Wort mehr sagen kannst. Zur Hölle, ich hätte mit dir auf dem verdammten Autositz schlafen sollen, wenn es nötig gewesen wäre, um – «
    »Hey! Aubrey? Alles in Ordnung?«
    Aubreys Gesicht stand in Flammen – die Vorstellung, sich in Vics Transporter die Kleider vom Leib zu reißen, wurde sofort ausgelöscht. Bitty hatte im ersten Stockwerk der Strickerei ein Fenster geöffnet, und Meggie stand direkt hinter ihr. Sie blickten in den Garten hinunter.
    »Alles bestens!«, rief Aubrey mit etwas zu viel Nachdruck. Nun nahm sie in den Häusern um sie herum die Bewegung ihrer Nachbarn wahr, die um drei Uhr morgens geweckt worden waren. Sie wandte sich an Vic und flüsterte: »Wir wecken die gesamte Nachbarschaft auf.«
    Er trat einen Schritt zurück und sprach mit lauter Stimme: »Was meinst du? Wir wecken die Nachbarn auf?«
    Sie versuchte, ihn mit einem Schsch zum Schweigen zu bringen.
    »GUT!«, rief er. »Ich WILL die Nachbarn aufwecken. Denn dann erfährt ganz Tappan Square, WAS ICH FÜR AUBREY VAN RIPPER EMPFINDE.« Er drehte sich weg von ihr, legte die Hände trichterförmig um den Mund und brüllte in die Dunkelheit: »Hört ihr das? ICH BINTOTAL VERKNALLT UND VERRÜCKT NACH AUBREY VAN RIPPER.«
    »Dann nehmt euch ein Zimmer und haltet die Klappe!«, rief von irgendwoher ein Nachbar.
    »Whoo-hoo!«, jubelte Meggie von oben herunter. »Zeig’s ihnen, Vic!«
    Aubrey musste unwillkürlich lachen. Der Schnee rieselte sanft herab und verschwand in der Dunkelheit. Im Schein der Straßenlaterne hatte Vics Haut einen goldbraunen Schimmer. »Du bist ja verrückt!«, sagte sie zu ihm.
    »O ja«, erwiderte er. Er trat wieder an sie heran, atmete schwer und blickte ihr in die Augen, ohne zu blinzeln. Als er weiterredete, war sein Tonfall leise, intim, nur für sie bestimmt. »Hast du etwa gedacht, du wärst die Einzige, die in Tarrytown für Unruhe sorgen kann?«
    Sie lächelte. Die Nacht war kalt, doch sie fühlte sich überhitzt, so voll Wärme wie noch nie zuvor. Vic war ihr so nah, so unglaublich nah. Sie musterte sein Gesicht, ganz benommen von dem Verlangen, ihn zu berühren. Er sah zum Fenster hinauf, wo Bitty und Meggie sich keine Mühe machten, ihr Interesse oder ihren Lauschangriff zu verbergen.
    »Kümmert euch nicht um uns«, meinte Meggie.
    »Tut mir leid, meine Damen. Die Vorstellung ist vorbei.« Vic legte Aubrey den Arm um die Schultern und flüsterte ihr etwas zu; sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut.

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