Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
Zeichen galten.
    Nun, da die Laute der Gänse verklangen, spürte sie jene langsame, traurige Strömung in ihrem Herzen, die ihr bedeutete, dass es bald wieder Zeit sei, sich in Bewegung zu setzen.
    »O nein, das wirst du nicht tun«, unterbrach Tori ihre Gedanken.
    »Was?«
    Tori setzte sich auf und überkreuzte die Beine. »Verdammt, Meggie. Manchmal ist ein Vogel einfach nur ein Vogel und ein Baum einfach nur ein Baum – ob es dir gefällt oder nicht, Gott wird nicht das ganze Universum neu gestalten, nur damit du wieder losziehen kannst!«
    Meggie seufzte. Die Gänse hatten sie dazu gezwungen, das Gefühl in ihrem Herzen zu benennen – das Gefühl, dass es an der Zeit war, zu gehen. Und das schien für sie Sinn und Zweck eines Zeichens zu sein. »Ich will mich nicht mit dir streiten«, meinte sie.
    »Und ich will nicht, dass du gehst.«
    Meggie drehte ihre Flasche um und sah zu, wie der letzte lila Tropfen bis zum Rand hinunterrann und auf dem Dach landete.
    »Ist irgendetwas vorgefallen?«, fragte Tori. »Hast du dich mit deinen Schwestern gestritten?«
    Meggie dachte an Bittys Brief. Sie musste gleich am nächsten Tag aufbrechen, länger würde sie es nicht ertragen. »Nein. Wir haben uns nicht gestritten.«
    »Was dann?«
    »Es wird einfach Zeit für mich, weiterzuziehen«, erklärte sie. Und zu ihrem Kummer füllten sich ihre Augen plötzlich mit Tränen. Sie war das Reisen leid, sie war erschöpft bis auf die Knochen. Sie hatte keine Lust mehr, sich alle paar Wochen oder Monate neue Umgebungen und neue Straßen einprägen zu müssen. Sie hatte es satt, nach dem Aufwachen nicht mehr zu wissen, wie sie im Dunkeln das Badezimmer finden sollte. In Filmen fanden die Leute auf Reisen zu sich selbst. Sie hatte dagegen manchmal das Gefühl, nicht mehr als ein riesiges Fragezeichen zu sein, ein Platzhalter für die Person, die sie eines Tages mit etwas Glück einmal werden könnte.
    Doch all das zählte nicht. Was zählte, war, dass sie ihre Mutter fand, solange auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass ihre Mutter zu finden war.
    »Es tut mir leid«, wandte sie sich an Tori. »Aber eines kann ich dir versprechen: Diesmal werde ich dich nach meiner Abreise öfter anrufen. Ich werde wiederkommen. Immer wieder. Um dich zu sehen. Ich werde den Kontakt nicht mehr abbrechen lassen.«
    Tori spülte den Rest ihrer Weinschorle hinunter. »Wie du meinst.«
    * * *
    Bitty stand vor der Schlafzimmertür ihrer Kinder in der Strickerei und kämpfte mit sich selbst. Nessa und Carson sprachen über Bittys auf Lautsprecher gestelltes Handy mit ihrem Vater. Sie wünschten ihm eine gute Nacht, wie sie es seit ihrer Ankunft in Tarrytown beinahe jeden Abend getan hatten. Sie fühlte sich unwohl dabei, sie zu belauschen, aber sie wollte wissen, was Craig über sie sagte, falls er überhaupt über sie redete. Sie befürchtete, er würde versuchen, die Kinder gegen sie aufzuhetzen. Durch die geschlossene Tür schnappte sie jedoch nur hier und da ein einzelnes Wort auf. Sie schritt den langen Flur bis zum dunklen Fenster an dessen Ende entlang und strich dabei mit den Fingerspitzen über die Wand, die die Farbe von sonnengebleichtem Sand hatte.
    Liebst du ihn?, hatte Aubrey sie vor all den Jahren gefragt, als sie noch gemeinsam unter einem Dach lebten und die Vorstellung einer Hochzeit ihr halb wie ein Traum erschienen war.
    O ja, hatte sie geantwortet.
    Aus dem Schlafzimmer hörte sie ihre Kinder lachen.
    Am Morgen hatte sie ihre Beichte niedergeschrieben, und sie wusste, dass sie gelesen worden war. Sie hatte jedoch noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihren Schwestern darüber zu reden, weil Aubrey zuerst bei der Arbeit und dann bei ihrem Treffen war und Meggie auf Distanz ging. Trotzdem fühlte sie sich wie befreit. Sie hatte die Last abgelegt, die sie mit sich herumtrug. Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich ihr Kopf ganz klar an, und sie konnte nachdenken. Sie lehnte sich mit dem Rücken neben der Tür ihrer Kinder an die Wand.
    Vor langer Zeit hatten sie, Craig und ihre zahnende Tochter seine Eltern in ihrem Haus auf den Hügeln von Tarrytown besucht. Das Haus der Fullens hatte Ähnlichkeit mit der Strickerei: Es war alt und recht imposant und wirkte griesgrämig. Doch anders als in der Strickereiknarrten die Dielen im Haus der Fullens nicht, noch nicht einmal die im Flur. Die Wände waren nicht übersät mit laubbraunen Flecken. Das Haus der Fullens war, was die Strickerei hätte sein können, hätte sie nicht in

Weitere Kostenlose Bücher