Die Wuensche meiner Schwestern
Dämmerung schnitten, um halbwegs ungestört mit ihm reden zu können. Umgeben von glänzenden grünen Blättern sagte sie ihrem Mann die Meinung. Es war das erste Mal, dass sie ihm gegenüber die Stimme erhob.
Was hast du dir nur dabei gedacht?, wollte sie wissen. Sie brauchte keinen Kriegshelden als Ehemann. Sie brauchte einen, der am Leben war. Jetzt mehr denn je. Ihr Herz fühlte sich an, als zögen sich hundert kleine Risse hindurch, wie bei den roten Lehmbrocken, die an die Flussufer gespült wurden und die unter einem leichten, aber präzisen Schlag auseinanderbrachen. Warum hatte er nicht zuerst mit ihr gesprochen? Sie war eine gute holländische Frau, die man darauf vorbereitet hatte, einem Haushalt vorzustehen, und keine anglikanische Kirchenmaus, die nicht einmal ein Wimmern wagen würde, wenn ihr Ehemann die Faust erhob. Er durfte solche Entscheidungen nicht treffen, ohne sich mit ihr zu beraten.
Man musste ihrem Mann zugutehalten, dass er zerknirscht aussah, wie ein Kind, das mit Lob gerechnet hatte und stattdessen getadelt wurde. Und das Herz in Helens Brust, das darum gekämpft hatte, nicht gebrochen zu werden, zerfiel endgültig in Stücke. Sie begann zu weinen. Ihr Mann nahm sie in den Arm und wiegte sie sanft, während eine milde Brise die Birkenblätter in Bewegung versetzte, so dass ihre weichen Unterseiten gen Himmel zeigten.
Und das war noch nicht alles, erklärte Helen unter Tränen. Sie hatte es ihm noch nicht sagen wollen. Nicht, bis sie ganz sicher war. Doch sie hatte seit vielen Wochen ihre Periode nicht bekommen und vermutete nun, ihr erstes Kind auszutragen. Ihr Mann nahm sie noch fester in den Arm, und während er zu einem anderen Zeitpunkt einen Freudenschrei ausgestoßen und sein Gewehr geladen hätte,um zur Feier des Tages ein paar Schüsse abzufeuern, flüsterte er an jenem Abend nur ein paar andächtige Worte und küsste ihr Ohr unter der Kappe.
Du siehst also, du musst zu mir zurückkehren, sagte Helen. Du musst lebendig zurückkehren .
Ihr Mann tröstete sie mit Zusicherungen und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht. Er versprach, dass ihm nichts zustoßen werde. Doch Helen wusste, dass ein Mann solche Versprechungen zwar machen konnte, doch dass es nicht in seiner Macht lag, sie auch zu halten. Besonders nicht, wenn er den Befehl bekommen hatte, ein Fort voller ausgebildeter Soldaten mit nur zwanzig Männern und keiner einzigen Kugel im Gewehr zu stürmen.
Am Abend vor dem Angriff auf Stony Point kam Helen mit den kriegsgebeutelten Frauen zusammen, die ihre Freundinnen geworden waren. Helen war nicht die Einzige, die ein Massaker befürchtete. Viele der Frauen sorgten sich um ihre Männer – Ehemänner, Brüder, Väter –, die nach Stony Point in den sicheren Tod marschierten. Doch nur Helens Mann war unter den Hoffnungslosen. Ihre Verzweiflung versetzte sie in Panik. Was konnte sie nur tun?
Sie berichtete den Frauen um sich herum von einer alten Volkssage, und während sie sie erzählte, fragte sie sich, ob sie selbst auch daran glauben konnte. Ihre Großmutter väterlicherseits hatte immer einen roten Faden in die Kleidungsstücke ihres Mannes gestrickt, um ihn zu beschützen. Niemand hatte ihre Zaubermittel ernst genommen, bis ihr Mann eines Tages mit einer Jagdgesellschaft loszog, die von einer Gruppe wütender Mohawks angegriffen wurde. Er war der Einzige, der mit seinem Skalp auf dem Kopf zurückkehrte.
Helen brauchte den Frauen des Feldlagers ihren Vorschlag nicht zu erklären – ihren eigenen Plan, der fast so verrückt war wie der des Generals. Die Frauen waren zwarnicht restlos überzeugt. Aber sie waren hilflos genug, um es zu versuchen.
In der diesigen Dunkelheit hielten sie in Fett getränkte Rohrkolben an die heißen Kohlen der Feuerstelle, bis sie zischend und stinkend aufleuchteten. Die Frauen setzten sich in einem Kreis zusammen und strickten Runde um Runde, die Luft um sie herum erfüllt vom Geruch der Wolle, des Rauches und des süßlichen Sommergrüns. In den stillsten Nachtstunden tauchten gelangweilte Wachmänner auf und wollten sich unterhalten, verschwanden jedoch wieder, da ihnen niemand Beachtung schenkte. Die Frauen zogen rote Fäden aus ihren Unterröcken und reichten sie herum. Eine Frau schlug vor: Vielleicht sollten wir etwas opfern. Nur zur Sicherheit. Und jede Ehefrau, Schwester oder Tochter willigte ein, etwas zu geben, das ihr viel bedeutete – nur, um Gott wissen zu lassen, dass sie nicht darum baten, etwas umsonst zu bekommen.
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