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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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Helen verflocht einen roten Faden in den Socken ihres Mannes, senkte den Kopf und betete im Niederländisch ihrer Eltern und deren Eltern: O Gott im Himmel. Ich will alles tun, was du verlangst. Wenn du ihn mir nur nicht so früh fortnimmst. Sie wusste jedoch, dass sie mehr würde bieten müssen als nur ein Gebet.
    Als die Zeit gekommen war, ihrem Schicksal entgegenzutreten, trugen einige der Männer, die sich nach Stony Point aufmachten, neue Socken mit roten Fäden darin, andere nicht. Helen ließ ihren Mann versprechen, dass er seine Socken auf keinen Fall ausziehen würde. Dann küsste sie ihn zum Abschied, als wären sie unbeobachtet, als wäre es ihr letzter Kuss für immer. Mit einem schiefen Lächeln und einer lässigen Haltung, die ihr bedeuten sollten, dass sie sich nicht zu sorgen brauche, drehte er sich um und war verschwunden. Wie alle anderen von General Waynes Männern. Die Frauen blieben im Zwielicht des Tales sich selbst überlassen und begannen zu strickenund zu flicken. Helens Sorge war wie der Juckreiz der Bläschen, die von Giftefeu hervorgerufen wurden und die sich manchmal um ihre Knöchel bildeten, der immer schlimmer zu werden schien, je mehr sie daran kratzte. Sie schlich sich vom Feuer und den anderen Frauen davon und trank einen bitteren Sud aus Wilder Möhre. Sie fürchtete schon, ihr Opfer könnte nicht angenommen werden.
    Doch bald erreichten sie vielversprechende Nachrichten. Und dann – noch besser – kehrte ihr Mann zurück. Wie alle Männer, die rotgesprenkelte Socken trugen. Helen warf ihrem Mann die Arme um den Hals und weinte vor Erleichterung. Er roch nach Flusswasser, Waffenöl und Schweiß, und sie vergrub das Gesicht in seinem rauen selbstgestrickten Hemd. Ihr Mann verkündete, der Plan zur Einnahme Stony Points sei nahezu reibungslos geglückt. Der verrückte Anthony Wayne sei ein Genie, das hoffnungslose Unterfangen werde in die Geschichte eingehen, und das Beste von allem war, dass Helen und er nun reich waren.
    Er hatte seine Hände auf ihre Schultern gelegt, seine Augen glänzten vom Widerschein des Feuers und von seinen stolzen Tränen. Er erzählte ihr, dass der erste Mann, der das Fort erreichte, einen Preis gewinnen sollte – und das war er gewesen! Er war mit dem stummen, leeren Gewehr hoch über seinem Kopf durch den Sumpf gewatet und hatte dabei an sie – nur an sie – gedacht und an das Leben, das sie führen könnten, wenn er in der Lage wäre, seine Angst zu überwinden und zu gewinnen. Er sagte, dass sie nun das Stück Land in Tarrytown erwerben konnten. Sie konnten auf dem Kamm ein Haus mit Blick über den Fluss errichten. Er presste sie an sich. Sie konnten ihr Baby auf ihrem eigenen Stück Land großziehen.
    Helen ließ den Kopf hängen. Schuld und Angst machten sich langsam in ihr breit, wie ein dunkler Fluss, der seine Ufer mit einer trägen, zähflüssigen Flut überschwemmte.
    Was hast du?, fragte ihr Mann.
    Sie richtete sich auf und erwiderte: Es tut mir so leid.
    Er lockerte seinen Griff um ihre Schultern.
    Sie sagte: Oh, mein Liebster. Es hat nie ein Kind gegeben. Sie erklärte mit zum Himmel geöffneten Handflächen, dass sie alles – alles – gesagt hätte, um ihn zu zwingen, heil zu ihr zurückzukehren, um sein Leben zu kämpfen. Sie hoffte, er könne ihr vergeben. Sie wartete zitternd auf seine Antwort. Sie glaubte an die Sage, an ihre Großmutter, an ihre Gebete und an alles, woran sie nur glauben konnte.
    Er blinzelte einmal langsam und dümmlich wie ein alter Ochse und brach dann in Gelächter aus. Es klang wie eine Salve Kanonenfeuer. Solch eine Schwindlerin war seine kleine Frau also. Sie würden es eben einfach erneut versuchen. Er hob sie hoch, küsste sie und wirbelte sie durch die Luft.
    * * *
    Ende, schloss Mariah. Und der Zauber des Revolutionsfeldlagers verzog sich wie das letzte rauchende Zischen eines gelöschten Feuers. Dann steckte sie jedes Mädchen in ihr eigenes Bett, gab jeder einen Kuss und wünschte ihr eine gute Nacht und süße Träume. Draußen wurden die Hügel des unteren Tals von Neonlicht erhellt und hallten vom Verkehr und den Geräuschen menschlichen Lebens wider, was äußerst beruhigend auf die Van-Ripper-Mädchen wirkte.
    Denn allein in der Stille, der schrecklichen, bedrohlichen Stille, verbarg sich der Rest der Geschichte – die Teile, die Mariah im Laufe der Jahre stets nur angedeutet hatte. Das wahre Ende der Geschichte wurde nur kleckerweise erzählt, wie Farbtropfen, die willkürlich auf einer

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