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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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pro Tag verschleißen konnten, und drehten unablässig ihre Handspindeln, um feste Leinenfäden zu spinnen.
    Helen Van Ripper, ihr Mädchenname war mit der Zeit in Vergessenheit geraten, war eine von ihnen. Sie lebte in einem einfachen Zelt in der Nähe des Feldlagers, um bei ihrem Mann sein zu können, den sie erst wenige Monate zuvor geheiratet hatte. Helen war jung, hübsch und kräftig: Unter den Flügeln ihrer holländischen Haube ragte klischeehaft blondes Haar hervor, und ihre Lust auf ein oder zwei süße koekies am Abend verlieh ihrem Kinn eine hübsche Rundlichkeit. Sie erwachte jeden Tag in der heißen Sommersonne zum Gezirpe der Grillen und Heuschrecken und zum Gesang der Kardinäle und Amseln inden Bäumen und fragte sich, ob sie wohl heute zur Witwe werden würde.
    Eines Tages eilte ein Wachposten an General Washingtons Seite und teilte ihm mit, dass englische Soldaten auf das Lager zumarschierten. Er habe sie jenseits der Lichtung gesehen, in ihren knallroten Mänteln, die im Takt einer unhörbaren Pfeife und Trommel flatterten. Überall wurde Alarm geschlagen, Musketen und Gewehre wurden parat gehalten. Doch als Washington selbst mit seinen graublauen Augen der Linie der vorrückenden Rotröcke entgegensah, hieß es, er habe dem Wachposten einen derart missbilligenden Blick zugeworfen, dass der Junge auf der Stelle zu Ton erstarrte. Die furchterregenden Soldaten waren nichts anderes als die gestrickten roten Unterröcke der Frauen, die zum Trocknen an einer Wäscheleine hingen.
    So also war das Leben, wenn die Männer nicht kämpften, erzählte Mariah den Mädchen. Doch der Geist der Tragödie kreiste ständig drohend über ihnen allen.
    Der Schatten des Todes legte sich dunkel über das Tal, und die Soldaten aßen, tranken und schliefen mit seinem Gewicht auf der Brust. Die britischen Streitkräfte hatten sich, nicht weit von ihnen entfernt, auf einer Felszunge auf dem Hudson namens Stony Point niedergelassen. Sie planten, den Fluss hinauf nach Norden vorzustoßen: Wenn sie den Hudson einnahmen, dann gehörte ihnen der ganze Nordosten.
    Helens Mann besuchte sie, als die Zikaden ihr Abendkonzert gaben und der Himmel sich bereits sanft rosa gefärbt hatte. Er hatte, dank seiner nordischen Abstammung, rotbraune Locken, graue Augen und ein verstümmeltes linkes Ohr, das von einem Kampf mit einem wilden Hund in seiner Kindheit herrührte. An jenem Abend lag ein ungestümes Leuchten in seinem Blick. Während Helen ihm zuhörte, ohne von ihrer Strickarbeit aufzublicken,erzählte er ihr, was er ihr nicht erzählen durfte – den Plan, den gewagten, furchtbaren und vollkommen verrückten Plan, Stony Point einzunehmen.
    Jeder wusste, dass das Fort unbezwingbar war. Westlich davon lagen ein trüber Sumpf, der vor sich hin gärte wie ein Burggraben, und ödes Land, durchzogen von spitzen Pfählen, Schützengräben, Erdwällen und einer ganzen Schwadron Kanonen. Entlang dem Fluss waren felsige Klippen, und unten im Wasser wartete das britische Kriegsschiff Vulture auf leichte Beute.
    Aber dennoch, obwohl ihr Scheitern mehr als wahrscheinlich war, wollte General Anthony Wayne das Unmögliche wagen und mit nur 1350 Männern Stony Point einnehmen. Ihre Strategie war es, einen Angriff vorzutäuschen: Zwei Truppen würden zur Ablenkung ein Sperrfeuer eröffnen, während der eigentliche Angriff heimlich von der Seite käme. Um sicherzustellen, dass sie sich leise näherten, durften sie keine Munition mit sich führen – nur ihre leeren Gewehre und ihre Bajonette. Einige Männer, tapfere Soldaten, die eigens für diese Ehre ausgewählt wurden, sollten den mitternächtlichen Angriff anführen. Die Vorhut würde durch den dreckigen Sumpf waten, sich einen Weg durch den Baumverhau bahnen, und wenn sie einmal ins Fort vorgedrungen waren, sollten die Soldaten ihre leeren Waffen in die Luft schwingen und wie wild geworden rufen: Das Fort gehört uns! Das Fort gehört uns! Die Männer waren sogleich mit einem Spitznamen belegt worden: das hoffnungslose Unterfangen .
    Helens Mann sprach mit so viel Stolz und jungenhafter Aufregung von dieser Vorhut, dass ihr Herz bei jeder neuen ruhmvollen Beschreibung ein wenig tiefer sank. Noch bevor er es ihr erzählte, wusste sie: Ihr Mann, der noch das jugendliche Grinsen und die staksige Figur eines Jungen hatte, hatte sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet. Er war das hoffnungslose Unterfangen .
    Sie zog ihn in ein kleines Wäldchen aus Papierbirken, die weiße Risse in die diesige

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