Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
Geld«, erwiderte Bitty steif.
    »Ich schon«, wandte Meggie mit einem kleinen Schnauben ein. »Und allein der ganze Müll im Turm könnte für Jahre meine Rechnungen bezahlen.«
    »Du solltest es nicht als Müll bezeichnen«, ermahnte Aubrey sie.
    Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Ein besonders quälender Aspekt ihres Lebens in der Strickerei war das Wissen darum, dass sie von dem Verdienst einer Teilzeitbibliothekarin und Teilzeitstrickerin niemals wirklich bequem würde leben können. Die Strickerei warf nicht viel ab und hatte es auch nie getan. Oft hatte Aubrey mitbekommen, wie Mariah schwierigste Arbeiten strickte, die mehrere Tage höchster Konzentration in Anspruch nahmen, um große, wichtige Zauber zustande zu bringen – im Austausch für nicht mehr als einen Stapel ramponierter Spielkarten. Es war, als würde sie, anders als Hans im Märchen, die wunderbaren Zauberbohnen für eine vertrocknete alte Kuh eintauschen. Der Familienlegende nach sollten ihre Vorfahren zwar wohlhabend gewesen sein, doch die heutigen Van Rippers waren gezwungen, ihre Flüssigseife und ihren Orangensaft mit Wasser zu strecken, hatten mehr Brotkrumen als Fleisch in ihrem Hackbraten und drehten das Wasser beim Duschen zum Einseifen und Rasieren ab.
    Dennoch ließ der Turm – der alte Geizkragen – Ali Babas Höhle wie einen Flohmarkt am Straßenrand aussehen. Wer wusste, für wie viel Geld sich all die Kostbarkeiten verkaufen ließen? Einer ihrer Vorfahren hatte einen Spruch an die Turmwand geschrieben: Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. Wenn die hohen Grundsteuern und das undichte Dach der Strickerei Aubrey wiedereinmal um den Schlaf brachten, dann quälte sie der Schatz. Sie war eine Minenarbeiterin auf einem Berg voller Silber – ohne Schaufel oder Spitzhacke.
    »Hört zu, wir müssen das nicht sofort entscheiden«, meinte Bitty. »Lasst uns nicht streiten. Okay? Lasst uns das Gespräch einfach auf nach der Beerdigung verschieben.«
    »Dann ist da auch noch der Wahnsinn«, platzte es aus Meggie heraus. »Können wir mal kurz darüber sprechen? Aubrey, du weißt, was passiert, wenn du hierbleibst. Dein Hirn wird sich in Haferbrei verwandeln! Was sollen wir denn tun? Uns einfach zurücklehnen und es geschehen lassen?«
    »Darüber unterhalten wir uns lieber später«, sagte Bitty, und man hörte ihrer Stimme an, wie sehr sie sich zusammenreißen musste.
    »Ich verstehe nicht, was es uns bringen soll, abzuwarten«, erwiderte Meggie.
    Bitty starrte sie wütend an.
    »Mal im Ernst – wir alle wissen, dass sie nicht allein hierbleiben kann.«
    »Ich werde hierbleiben«, sagte Aubrey. »Ich muss hierbleiben.«
    »Die Mehrheit entscheidet«, hielt Meggie dagegen. »Wir stimmen ab. Dann ist es rechtmäßig.«
    »Nein, ist es nicht. Ihr braucht meine Unterschrift.«
    »Nicht, wenn wir dich überstimmen.«
    »Es reicht!«, rief Bitty laut. Die Kinder saßen mit zusammengepressten Beinen und gesenktem Blick auf dem Sofa, als versuchten sie, ihre kleinen Körper noch kleiner zu machen. Vic war ebenfalls unnatürlich still.
    Aubrey spürte, wie die Hitze in ihrem Inneren abnahm. »Du hast recht. Lasst uns nicht streiten. Das wäre das Letzte, was Mariah gewollt hätte.«
    Im Raum herrschte Schweigen. Aubrey trat ans Fenster.
    Das Grundstück rund um die Strickerei hatte sich zwar im Laufe der Jahrzehnte verändert, doch das Gebäude selbst war seit Jahren nicht modernisiert worden. Die Van Rippers lebten seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts in der Strickerei. Die Schrammen und Dellen in den Fußleisten, die leicht verzogene Hintertür, die langen bogenförmigen Kratzer auf dem Dielenfußboden – alles Spuren ihrer vorherigen Bewohner.
    Aubrey war natürlich von Zeit zu Zeit versucht gewesen, alles hinzuwerfen. Die Schätze im Turm zu verpfänden und irgendwo anders ganz neu anzufangen. Wie hätte sie nicht in Versuchung geraten können? Die Arbeit war anstrengend, die einsamen Stunden waren lang, und der Lohn war zweifelhaft. Doch wenn nicht sie die Traditionen ihrer Familie weiterführte, dann würden diese aufhören zu existieren. Und was würde ohne die Strickerei aus Tarrytown? Ihre Aufgabe hatte begonnen, lange bevor sie auf die Welt gekommen war.
    Sie sah Vic an, der ein ernstes, besorgtes Gesicht machte. »Komm«, sagte sie. »Ich bringe dich zum Tor.«
    Draußen schlenderten sie durch den Vorgarten der Strickerei, über den blaugrauen Schieferweg, der langsam von Moos und Fingerhirse überwuchert wurde. Die für

Weitere Kostenlose Bücher