Die Wuensche meiner Schwestern
zeigen«, warf Bitty ein, »aber wir wissen schon, dass alles an Aubrey gehen wird. Das ist doch offensichtlich, seit …« Sie sprach nicht weiter.
»… seit unserer Kindheit«, beendete Meggie den Satz.
Aubrey spürte Vics Blick auf sich ruhen und wandte sich ab. Als sie dreizehn war, hatte die Pubertät Pickel, Blut, Brüste und eine dunklere und markantere Färbung ihrer Augen mit sich gebracht, bis diese ihr sonderbares, stechendes Blau angenommen hatten. Jetzt, mit Vic an ihrer Seite und ihren Schwestern, die sie auf der Suche nach Hinweisen musterten, fühlte sie sich wieder wie dreizehn.
»Ich sollte euch das hier am besten vorlesen«, sagte Vic und zog einen lila Briefumschlag aus der Mappe, der ganz altmodisch mit einem fetten roten Klecks Wachs versiegelt war. »Damit ihr es alle gleichzeitig hören könnt.«
»Natürlich«, bestätigte Aubrey. »Leg los.«
Er drehte sich nun ganz in ihre Richtung, und sie konnte sich nicht verkneifen, seinen Blick zumindest kurz zu erwidern. Ihr gefiel sein Gesicht – seine olivfarbene Haut, die beiden sanften Rundungen seiner Wangenknochen, seine lange Nase, die dichten Brauen, die sich zwischen seinen Schläfen begegneten wie ein alter Querbalken, und seine Augen, die die Farbe der papiernen Schale einer Mandel hatten. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte leicht zu. »Ich denke, du solltest dich lieber setzen.«
Liebe Mädchen,
ich kann gar nicht glauben, dass ich schon neunundsiebzig bin. Ich dachte, wenn man neunundsiebzig ist, würde man sich auch neunundsiebzigmäßig fühlen – als würde das Alter in meine Knochen dringen und dafür sorgen, dass ich mich so anders fühle, wie ich aussehe, mit all diesen neuen Polstern und Hautlappen und Falten, die ich vor zwanzig Jahren noch nicht hatte. Doch auch wenn ich mich nicht wie neunundsiebzig fühle, bin ich es anscheinend.
Wenn Ihr das hier lest, hat es offensichtlich einen Todesfall in der Familie gegeben (meinen), und ich möchte Euch mein Beileid aussprechen. Ich kann nur hoffen, dass ich verloschen bin wie ein Römisches Licht am Unabhängigkeitstag – dass der Tod schnell kam und nicht langsam und schleppend. Die Vorstellung, von einem Blitz erschlagen zu werden, hat mir immer gefallen – beam mich hoch, Gott!
Falls es sich aber in die Länge gezogen hat, wenn ich Euch viel Mühe gemacht haben sollte, dann tut es mir leid. Ich schaudere bei dem Gedanken, was ich erst sagen oder tun könnte, würde der Wahnsinn von mir Besitz ergreifen.
Ich habe mit Vic gesprochen, und es gibt eine offizielle Version hiervon – rechtsgültig und beglaubigt und das Vermögennicht wert, das es mich gekostet hat, es ausfertigen zu lassen. Aber ich dachte, Ihr verdient auch eine Erklärung für all die Veränderungen, die ich an meinem Testament vorgenommen habe – damit Ihr es nicht von einem Dummkopf von Notar erfahren müsst. Besser, es kommt aus dem Mund des alten Kleppers selbst (ja, Meggie, ich wusste, dass Du mich so genannt hast – zum Brüllen komisch, ehrlich, hat mir gar nichts ausgemacht).
Hier ist es also:
Ich vererbe die Strickerei nicht an Aubrey. (Schnell – alle einmal nach Luft schnappen!)
Nö. Ich vererbe sie nicht an sie. Ich vererbe sie an Euch alle zu gleichen Teilen. Doch es gibt ein paar Bedingungen.
Eure Anteile am Grundstück, am Haus und an allen beweglichen Gütern (lustiger Ausdruck, oder?) sind innerhalb der Familie nicht übertragbar. Ihr könnt sie nicht untereinander oder an irgendjemand anderen verkaufen oder übertragen. Wenn Ihr den Besitz verkaufen wollt, müsst Ihr Euch alle darauf einigen, ihn an einen Dritten zu verkaufen. Wenn eine von Euch dagegen ist, wird nichts daraus.
Und wenn Ihr ihn nicht verkauft, müsst Ihr ihn alle zusammen behalten. Bitty und Meggie, Ihr seid gute Menschen, gute Schwestern. Aubrey braucht jemanden, der nach meinem Tod nach ihr sieht. In der Küche richtet sie nur Unheil an – fragt sie danach, wie sie einmal ein Mikrowellentablett in den Backofen gestellt hat –, und wenn Ihr nicht auf sie aufpasst, wird sie morgens, mittags und abends scharfe Dragonrolls essen. Sie darf nicht so viele von diesen trübsinnigen Singer-Songwriter-Platten hören, da ist der Nervenzusammenbruch ja vorprogrammiert. Und ihr Kaffeeverbrauch – lieber Himmel! Wenn eine Frau so viel Kaffee trinkt, sieht ihr Gesicht irgendwann wie eine Bohne aus.
Ich weiß, ich weiß. Ich blödele herum. Doch wenn jemand stirbt, ist ein bisschen Quatsch machen absolut
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