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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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hierzuhaben.«
    »Ich nehme mal an, das ist ein Kompliment.« Sie streckte die Hand aus, um dem Igel den Rücken zu streicheln, und er ließ es zu.
    »Und außerdem ist es genau genommen jetzt auch euer Haus«, fügte Aubrey hinzu.
    Bitty schwieg mit gesenktem Kinn. Wenn sie ganz gelöst war – in flüchtigen Momenten wie diesem –, wirkte ihr Gesicht auf zurückhaltende Weise majestätisch, wie ein altes Madonnengemälde. Sie hielt den Blick gesenkt, während sie über die Stacheln des Igels strich. »Craig und ich … Das letzte Jahr war schwierig. Vor allem für die Kinder.«
    Aubrey wartete darauf, dass sie weitersprach. Sie hielt beinahe die Luft an. Sie wollte so gern endlich wieder mit ihrer Schwester reden können. Sie kennen. Sie konnte nicht ermessen, was es Bitty gekostet haben mochte, zu ihr zu kommen und um Hilfe zu bitten – in der Strickerei Zuflucht zu suchen, während sie zugleich von Aubrey verlangte, diese aufzugeben. Sie musste in einer schlimmen Lage sein. In einer wirklich schlimmen.
    Doch Bitty ging nicht näher darauf ein. Sie stand bloß auf und durchquerte erschöpft den Raum. »Ich überbringe den Kindern die guten Neuigkeiten. Sie werden sich freuen, dass wir hierbleiben.«
    »Wie lange?«
    »Halloween in Tarrytown muss man mal erlebt haben, oder?« Bitty grinste – und zum ersten Mal erreichte das Lächeln auch ihre Augen.
    »Geht das denn?«, fragte Aubrey. »Können die Kinder so lange von der Schule fernbleiben?«
    »Sie bekommen regelmäßig Nachhilfeunterricht. Ich rufe morgen in der Schule an, um ganz sicherzugehen, aber ich nehme an, es ist in Ordnung. Und außerdem …« Sie blieb vor der Tür stehen. »Wir brauchen das. Eine kleine Pause von allem. Ich denke, es wird ihnen guttun. Und ich denke, es wird mir guttun.«
    Aubrey wollte sagen: Ich bin froh, dass ihr bleibt . Doch sie hatte das Gefühl, dass es nicht ganz die richtige Antwortgewesen wäre. Bitty schloss mit einem leisen Klicken die Tür hinter sich.
    Aubreys Gedanken wanderten zu Nessa. Sie dachte an Carson. Ihr Herz hatte Sehnsucht nach ihnen – nach Bittys Familie, sogar nach allem, was sie gerade durchmachen mochten, und sie wünschte sich, sie könnte irgendetwas für sie tun.
    * * *
    Als Nessa am nächsten Morgen aufwachte, lag ihre traubenfarbene Wolle zu einem perfekten Knäuel gewickelt auf ihrem Nachttisch, und auf einer Nadel saß eine Reihe ordentlicher Maschen wie Vögel auf einem Stromkabel.
    Aus dem Großen Buch im Flur
    Wer mit dem Stricken beginnt, mag schnell zu zweifeln beginnen. Ein von oben nach unten gestrickter Cardigan beginnt mit nicht mehr als ein paar glatt rechten Reihen. Das war’s. Ein Möbiusschal, so schwungvoll er sich später auch zu drehen vermag, fängt mit einer glatt rechten Reihe an. Ein kleines schwarzes Schaf, das in die Passe eines Pullovers gestrickt wird, erscheint zunächst als verirrter Fleck auf der Schulter. Keltische Zopfmuster, die über einen Schal kriechen, können unsere Wahrnehmung verwirren.
    Doch wenn wir Strickerinnen auf die Muster vertrauen, dann lernen wir die Kniffe. Wir sind der Mann hinter dem Vorhang. Wir haben die geheime Falltür gebaut. Wir waren es, die das Kaninchen in den Hut gesteckt haben. Doch das macht den Prozess nicht weniger zu einer Offenbarung.
    Auch die fähigsten Strickerinnen fühlen sich manchmal, als wanderten sie mit einer trüben Laterne im Nebel. Du betrachtest drei kraus rechts gestrickte Reihen auf einer Stricknadel und fragst dich: Wie um Himmels willen soll aus diesem Wollfetzen bloß ein Pulli werden? Doch wenn du dranbleibst, wird er sich, Stück für Stück, in ebendies verwandeln.

Kapitel 10
    Stricke links
    Die alte Feuerwache, in der sich die Leute von Tappan Watch trafen, hatte holzvertäfelte Wände, war in grellem Neonlicht beleuchtet und hatte eine alte rosa Küche, die selbst dann nicht sauber ausgesehen hätte, wenn man sie von oben bis unten mit der Zahnbürste geschrubbt hätte. An einem guten Abend tauchten etwa zwanzig Leute auf, um ihre guten Absichten zu beschwören, ihre Klappstühle im Kreis aufzustellen und eine Petition zum Unterschreiben herumzureichen. An einem schlechten Abend – was so viel wie ein normaler Abend war – trudelten nach und nach vielleicht acht Leute verspätet ein und dies hauptsächlich wegen der Donuts und des Cidre.
    Dieser Donnerstagabend war jedoch kein normaler Abend. Es war – wie Aubrey dachte, als sie sich mit ihrem Strickzeug hinsetzte und ruhig auf den Beginn des

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