Die Wuensche meiner Schwestern
kalte Pizza vor sich auf dem Teller, kamen Aubrey die Worte ihrer Tante in den Sinn, doch sie erinnerte ihre Schwestern nicht daran. Es tat schon zu weh, nur daran zu denken. Stattdessen schlang sie ihr Essen so schnell wie möglich hinunter und bemerkte, dass ihre Schwestern dasselbe taten. Sie redete nur noch über Belangloses, da sie wusste, dass sie das Problem mit der Strickerei an diesem Abend nicht lösen würden.
Als sie nach Hause zurückkehrten, fühlte sich Aubrey missmutig und einsam, und sie wusste, dass es ihren Schwestern genauso ging. Meggie ging noch einmal raus, sagte aber nicht, wohin. Aubrey verzog sich auf ihr Zimmer, um ihren Igel zu besuchen.
Er rannte fröhlich herum und schaukelte auf seinem Rad, aber sie nahm ihn trotzdem aus seinem Käfig und mit ins Bett. Nachdem er sich, einigermaßen verärgert, einmal zusammengerollt hatte, entspannte er sich wieder und krabbelte auf ihrem Bauch herum. Seine Nase zuckte, und seine dunklen Augen leuchteten wie glänzende schwarze Perlen. Aubrey fuhr gern mit dem Daumen über seine braunweißen Stacheln wie über die Seiten eines Buches, und wenn er sie ließ, streichelte sie das babyweiche weiße Fell an seinem Bauch und Kinn. Normalerweise hätte sie ihm nun von ihrem Tag berichtet. Dochdie Wände waren dünn, und ihre Schwestern hielten sie auch so schon für verrückt.
Ein leises Klopfen an der Tür. Der Igel schnupperte und zog sich bei dem Geräusch sein Visier aus Stacheln übers Gesicht.
Bitty öffnete die Tür gerade weit genug, um ihre Schultern durchzuschieben. »Störe ich?«
»Na ja, Igelchen und ich waren gerade dabei, den Sinn des Lebens zu entschlüsseln.«
»Und der wäre …?«
»Er meint ›Mehlwürmer essen‹. Ich glaube, es geht mehr in Richtung ›versuchen, etwas Gutes zu tun‹.«
»Gut, dass wir in einem Land leben, das unterschiedliche Meinungen toleriert.« Bitty lächelte. Sie betrat das Zimmer, und die alte Tür schloss sich knarrend hinter ihr. Sie trug ihren Pyjama – einen sportlichen Zweiteiler aus rötlich braunem Frottee. Ihr Haar war feucht, und ihre Haut glänzte vom Schrubben unter der Dusche. Als sie näherkam, reckte der Igel seine Nase in die Luft.
»Er ist süß«, meinte Bitty. »Carson erzählt die ganze Zeit von ihm. Du weißt schon, dass ich mir die Geschichten noch ewig werde anhören müssen, wenn ich ihnen nicht auch einen kaufe?«
»Willst du ihn mal halten?«
»Darf ich?«
Aubrey richtete sich leicht auf, als der Igel an ihrem Brustbein herumscharrte. Sie hob ihn hoch, wobei sie auf seinen weichen Bauch und seine Streichholzbeinchen achtgab. Doch als Bitty nach ihm greifen wollte, verwandelte er sich sofort in einen festen, fauchenden Ball. Bitty zuckte zurück, und Aubrey lachte. »Hab keine Angst. Er kann mit seinen Stacheln nicht auf dich schießen.«
»Vielleicht bewundere ich ihn lieber nur aus der Ferne«, erklärte Bitty. Sie setzte sich vorsichtig aufs Bett. Der Igel entrollte sich und begann erneut, zu schnuppern. Bittyspielte am Verschluss ihres Pyjamas herum. »Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
»Leg los«, meinte Aubrey.
»Ich habe mich gefragt, ob es dir etwas ausmachen würde, wenn die Kinder und ich noch ein bisschen länger bei dir blieben.«
Der Igel steckte seinen Kopf in eine Falte von Aubreys Pullover, und sie musste an Nessa denken, wie sie mit dem lila Fadengewirr in den Händen vor ihr in der Strickerei stand. Sie beschloss, dieses Bild für sich zu behalten – zumindest fürs Erste. »Wieso habe ich das Gefühl, dass du das nicht als Urlaub verstehst?«
»Ich dachte mir, es wäre gut für uns.«
»Und?«
»Und … ich brauche Abstand von Craig.«
Aubrey nickte. Sie wusste, wie schwer es ihrer Schwester fiel, um einen Gefallen zu bitten. Sie wusste auch, wie schwer es war, zuzugeben, dass etwas nicht stimmte. Bitty hatte in dieser Hinsicht Ähnlichkeit mit dem Igel: Er war ein Beutetier und von der Natur so programmiert, dass er niemals eine Schwäche zeigte. Es war nur schwer zu erkennen, wenn er krank war oder Schmerzen hatte. Bei Bitty war es mittlerweile genauso.
»Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt«, sagte Aubrey. »Nessa und Carson sind wirklich großartige Kinder – nein, großartige Menschen. Kennst du dieses Gefühl, wenn du morgens aufwachst und die Arme und Beine und den Rücken streckst und dich räkelst und alles knackt und knirscht, und es fühlt sich ganz wunderbar an?«
»Ja?«
»So fühlt es sich an, euch wieder
Weitere Kostenlose Bücher