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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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lachte. »Was soll das werden? Ein Frage-und-Antwort-Spiel?«
    »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Was zum Teufel hat dich dazu gebracht, einfach so zu verschwinden? Ohne wenigstens tschüs zu sagen? Das war eine ziemlich miese Aktion.«
    »Ich weiß. Tut mir leid.«
    »Du hättest uns ja mal warnen können. Und mit uns meine ich zumindest mich.«
    »Ich habe Postkarten geschickt.«
    »Hinterher.«
    »Ich wollte nicht, dass irgendjemand versucht, mich aufzuhalten«, erklärte Meggie.
    »Ich weiß.« Tori nahm einen Schluck von ihrem billigen Bier. »Und ich hätte es definitiv versucht.«
    Meggie lächelte. Die Band im Nebenraum kündigte eine fünfzehnminütige Pause an, und die Musik wurde leiser, als der Barkeeper etwas vom Band laufen ließ.
    »Erzähl mir alles«, forderte Tori sie auf. »Erzähl mir, wo du warst.«
    Meggie ließ ihr Bierglas kreisen und begann, Tori dies und das von ihren Reisen zu erzählen – jedenfalls nur die guten Dinge. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht,an jeder neuen Stadt, in die sie kam, etwas Gutes zu finden. An Denver hatten ihr die gezackten Berge mit den blauen Gipfeln gefallen, die so viel rauer waren als die gebückten alten Hügel des Hudson-Tals. An Texas hatte sie gemocht, dass die Männer waschechte Cowboyhüte und riesige Gürtelschnallen trugen. In Tampa hatte ihr gefallen, dass stets alle auf der Durchreise waren – dort musste man nicht auf einer Party aufkreuzen, weil man die Party überallhin mitnahm.
    Sie erwähnte Tori gegenüber nicht, dass es ihr in Savannah, wo sie mit Phil einen auf Pärchen gemacht hatte, bis sie von der Strickerei so unsanft unterbrochen wurden, schwergefallen war, etwas Liebenswertes zu finden. Gut, da gab es dieses märchenhafte Louisianamoos, das Meggie immer darüber nachdenken ließ, wie wohl Musik aussehen würde, wenn sie etwas Greifbares wäre und sich in Zweigen verfangen könnte. Und, ja, da waren die entzückenden alten Häuser, die Minigolfplätze für Touristen und die Gastfreundschaft der Menschen. Doch alles, was ihr an Savannah hätte gefallen können, Phil eingeschlossen, wurde ihr durch das eine Ärgernis verleidet, das ihr ganz Georgia vergällte: Ihre Spur war hier noch schneller im Sande verlaufen als üblich. Sie hatte einen Hinweis auf eine »Emerald Van Ripper« in einem Nachtclub im Keller in der Broughton Avenue erhalten und erst vermutet, ihre Mutter hätte sich für ein scherzhaftes Pseudonym entschieden. Doch als Meggie Emerald aufgespürt hatte, stand sie nicht ihrer Mutter gegenüber, sondern einem hübschen jungen Mann, der Judy Garland verblüffend ähnlich sah.
    »Aber wie entscheidest du, wohin du gehst?«, wollte Tori erfahren. »Improvisierst du einfach?«
    »Im Grunde gehe ich immer der Nase nach«, erklärte Meggie. »Manchmal reise ich aus einem bestimmten Grund an einen bestimmten Ort. An anderen Tagen folge ich bloß einer Ahnung.«
    »Einer Ahnung? Bist du auf einem Feldzug gegen das Verbrechen oder so was? Bist du jetzt eine, die ihre Unterhose über der Kleidung trägt und Obdachlosen Hamburger spendiert?«
    »Nein, keine Superheldin«, erwiderte Meggie. »Ich wollte damit sagen, dass ich an einen neuen Ort reise, wenn ich ahne, dass er mir gefallen könnte. Zum Beispiel hatte ich vermutet, dass mir Portland gefallen würde.«
    »Und, wie fandest du es dort?«
    »Gut. Bis auf die Vegetarier. Und den Regen.«
    Meggie nahm einen Schluck von ihrem Bier. Sie hoffte, dass sie nicht rot wurde. Sie musste bei Tori besser achtgeben, was sie sagte. Tori war jemand, der alles hörte – auch die Dinge, die man gar nicht gesagt hatte. Und sie ließ keine Andeutung, ob bewusst oder nicht, unhinterfragt. Stattdessen ergriff Tori den dünnen, schlüpfrigen Faden eines Hinweises und zerrte ihn Stück für Stück an die Oberfläche des Gesprächs, als würde sie einen zuckenden Stör aus trüben Tiefen emporziehen.
    Die Wahrheit, die Meggie vor ihrer Freundin nicht eingestehen wollte, war, dass ein großer Teil ihrer Detektivarbeit auf Ahnungen basierte. Anfangs hatte es noch Spuren gegeben – Hinweise darauf, wohin ihre Mutter damals gegangen sein könnte, die Meggie echt und brauchbar erschienen. Sie hatte alle Spuren, die zu ihrer Mutter führen könnten, in ihrem Tagebuch festgehalten: gesammelte Erinnerungen von verflossenen Liebhabern oder zeitweiligen Freunden. Doch irgendwann musste sie immer mehr Phantasie aufbringen und ihre Zweifel zurückstellen, um neue Hinweise zu finden. Wenn Meggie ohne

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