Die Wuensche meiner Schwestern
hartnäckig, dann wieder ein Fußabtreter. Sie hatte gehofft, der zeitweilige Rückzug in die Strickerei würde ihr geistige Stärke oder zumindest Klarheit verschaffen.
»Aber … ein Zauber?«, brachte sie lahm hervor.
»Sieh es doch mal so: Es kann nicht schaden«, meinte Meggie.
Bitty verschränkte die Arme und richtete den Blick an die mit Wasserflecken übersäte Decke. »Wenn du es versuchen möchtest, werde ich wohl nicht nein sagen.«
»Prima.« Aubreys Tonfall war ungewöhnlich autoritär. »Weiß Craig über die Magie und das Stricken Bescheid?«
»Wenn, dann nicht von mir. Er hätte mich für verrückt erklärt.«
»Das sollte die Sache einfacher machen«, meinte Aubrey. »Und nun, Bit – dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für rationale Analysen, okay? Schnell, was wäre es dir wert, mit deinen Kindern noch ein paar Tage hierbleiben zu können? Denk nicht lange nach, sag es mir einfach. Schnell. Was ist es wert?«
»Ich weiß nicht. Ich schätze …«
»Was?«
Bitty vernahm die Härte in ihrem Lachen. Sie griff nach ihrem Ehering; er war buttergelb und völlig schlicht – das am wenigsten exklusive Schmuckstück, das sie besaß.
»Ernsthaft?«, fragte Meggie. »Bist du dir sicher?«
»Erscheint mir wie ausgleichende Gerechtigkeit«, erwiderte Bitty. Sie drehte ihn von ihrem Finger und ließ ihn in Aubreys Handfläche fallen.
Meggies Tonfall wurde sanft: »Aber was wirst du Craig sagen, was du damit getan hast? Was, wenn du den Ring zurückbekommen musst?«
»Als ob er sein Fehlen bemerken würde«, erwiderte Bitty. »Außerdem kann ich Craig immer bitten, mir einen neuen zu kaufen. Einen richtig teuren mit so vielen Diamanten, dass man ihn vom Mars aus sehen kann.«
Aubrey schloss die Hand um den Ring, und er war fort. Für immer, stellte Bitty fest. Fort. Sie hatte Witze gemacht, dabei hätte sie sich verabschieden sollen. Der Verlust war real und wog schwer, und sie erkannte, dass es doch nicht so einfach und unkompliziert war, ihn aufzugeben, wie sie gehofft hatte. Aubrey ergriff das Wort: »Das ist der Plan: Meggie, geh raus und halte Craig hin.«
»Wird gemacht«, erwiderte diese.
»Bitty, du gehst hoch zu den Kindern. Wir rufen dich, wenn wir fertig sind.«
»Okay«, sagte Bitty.
Meggie war bereits durch die Haustür verschwunden, und Bitty machte einen Schritt in Richtung Treppe, als Aubrey sie zurückrief. Sie drehte sich um.
»Ich bin froh, dass ihr bleibt«, sagte Aubrey.
»Wollen wir es hoffen«, erwiderte Bitty.
* * *
Aubrey schürfte sich die Fingerknöchel an der rauen Wand eines Holzfasses auf. Sie wühlte sich durch dicke, schwammige Wollknäuel. Wo war er nur? Vor Jahren hatte sie einen Schal begonnen – ganz einfallslos mit einem Zwei-rechts-zwei-links-Rippenmuster. Sie hatte ihn beiseitegelegt, als sie sich an ein vielversprechenderes Projekt machte, hatte die Maschen auf einen silbernen Maschenhalter geschoben und dann weggeräumt. Nun wäre er genau das, was sie brauchte: fast fertig, ein unbeschriebenesBlatt, ein Stoff, der bereit war für eine Spritze Magie.
Erst auf dem Boden des Fasses fand sie ihn und dachte: War ja klar. Sie ergriff den angefangenen Schal, schnappte sich Nadeln von der Theke und setzte sich damit auf eine versiegelte Holzkiste. Sie hatte keine Zeit, geruhsam Kerzen anzuzünden und ein stummes Gebet zu sprechen. Sie musste ihren Kopf rasch freibekommen und sofort loslegen.
Doch ihre Gedanken waren wirr. Ihr fehlte es nicht an Konzentration, sie war nicht abgelenkt im eigentlichen Sinne. Aber sie zweifelte an sich, an ihren Fähigkeiten. Sie wusste nicht einmal, ob es überhaupt möglich war, einer halbfertigen Arbeit einen Zauber einzupflanzen – vielleicht war der Schal schon zu weit fortgeschritten, und die Magie würde davon abperlen wie Regenwasser, das eine Straße hinunterrinnt. Sie erkannte, wie wenig sie eigentlich über das Handwerk ihrer Familie wusste, wie sehr sie sich stets auf Mariah verlassen hatte und wie viele Fragen sie dieser hätte stellen sollen, als sie noch am Leben war. Aber sie hatte immer geglaubt, Mariah und sie hätten noch so viel Zeit, bis die Zeit eines Tages plötzlich um war.
Mari, flüsterte sie in Gedanken. Wenn Bitty geht, weiß ich nicht, ob sie je zurückkommen wird.
Sie schloss die Augen und hielt die Nadeln in den Händen, ruhig und im Gleichgewicht. Sie atmete aus. Und dann hatte sie das Gefühl, Mariah wäre bei ihr, als befände sich ihre Tante mit ihr im Raum, um sie zu beruhigen, ihr
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