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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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ihren Segen zu geben und ihr zu versichern, dass alles gut werden würde. In ihrem Geist kehrte Leere ein. Ihre Finger begannen, sich zu bewegen – sie arbeiteten nun nicht mehr an einem Rippenmuster, sondern nahmen den schnellsten Weg, die Maschen an ihren Platz zu bringen. Es gab nur noch das Stricken, die Dunkelheit, Mariah, dieKraft, eingepflanzt in ihr Herz wie ein Samen, und den Schnellfeuermechanismus ihrer Hände.
    * * *
    »Bitty!«
    Bitty hörte, wie ihre Schwester versuchte, ganz normal zu klingen, als sie das Treppenhaus hinaufrief. Nessa und Carson zogen unter Bittys Armen die Schultern zusammen. Fünfzehn Minuten waren vergangen, seit Aubrey in der Strickstube verschwunden und Meggie hinausgegangen war, um Zeit zu schinden. Und Bitty hatte einen Nervenzusammenbruch.
    Sie wusste nicht, wie sie ihren Kindern erklären sollte, was ihre Schwestern taten, was sie ihnen erlaubt hatte zu tun. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie es ihnen überhaupt sagen sollte, da sie bezweifelte, dass eine Mutter, die ein gutes Vorbild abgeben wollte, versuchen würde, das Gehirn ihres Ehemannes mit Hilfe von Magie zu kapern, an die sie selbst angeblich nicht glaubte und an die zu glauben sie ihren Kindern verwehrt hatte. Sie hatte nicht mehr als eine lasche Erklärung für das merkwürdige Verhalten ihrer Familie anzubieten: Tante Meg wollte sich kurz mit Dad unterhalten. Ihre Kinder glaubten ihr mit jenem trägen Widerwillen, den eine bequeme Lüge hervorruft.
    Bitty fühlte sich noch elender als in dem Augenblick, in dem Craig aufgetaucht war. Es war schlimmer als der Moment, in dem er damit gedroht hatte, die Polizei zu rufen. Ihre Zweifel verursachten ihr Magenkrämpfe. Verhielt sie sich nicht wie eine Atheistin, die nach einer Beerdigung anfängt, von Engeln und einem besseren Ort zu reden; war sie nicht so heuchlerisch wie jemand, der bis zu dem Tag übers Beten spottet, an dem sein Auto über dem Rand einer Klippe hängt?
    Ihr wurde bewusst, dass es stimmte, dass Krisen die wahre Natur der Menschen zum Vorschein brachten – und dass diese Krise ihre wahre Natur zeigte. Zugleich sorgte sie sich, ob dieses spezielle Drama sie womöglich nicht so sehr dazu gezwungen hatte, die Wahrheit über sich selbst anzuerkennen, sondern, im Gegenteil, diese zu verraten. Und das fühlte sich einfach nur falsch an.
    »Bitty? Bit!« In Meggies Stimme schwang Panik mit.
    Bitty riss sich zusammen. »Bleibt hier«, wies sie die Kinder an. Sie eilte durch den Flur und traf Meggie auf halber Treppe. »Was ist los?«
    »Unser Kumpel Craig hat die Polizei gerufen. Zumindest behauptet er das. Sie sind unterwegs.«
    »Scheiße. Was, wenn er ihnen erzählt, ich hätte die Kinder entführt? Was, wenn sie sie mir wegnehmen?«, flüsterte Bitty. Nun geriet sie vollends in Panik. Die Tränen, die sie bislang zurückgehalten hatte, begannen zu fließen. »Was soll ich nur tun?«
    »Alles wird gut«, sagte Meggie. »Das verspreche ich. Alles wird gut werden.«
    Gemeinsam polterten sie die Treppen ins Erdgeschoss hinunter. Sie blieben im Türrahmen der Strickstube stehen, traten mit keinem Zeh über die Schwelle des Raumes, den Aubrey besetzte. Das Licht aus dem Flur drang in die Strickstube hinein, verlor sich aber in deren Schatten. Eine unheimliche und vollständige Stille hatte sich im Zimmer breitgemacht, so dass nicht einmal das Ticken der Uhr an der Wand zu hören war. Aubrey hockte auf einer Kiste und hätte aus Stein sein können, wären da nicht das Flattern ihrer Hände und das Band aus schwarzer Wolle gewesen, das aus dem Knäuel herauswanderte.
    »Aubrey. Wir haben keine Zeit mehr«, sagte Meggie.
    Bittys Herz pochte wild. Die Muskeln unter ihrer Haut zuckten. Sie war entsetzt, dass ihre Hoffnung an dem Stofffetzen in Aubreys Händen hängen sollte.
    Meggie sah Bitty an. Ihre Schwester hatte sich nicht gerührt. Sie versuchte es erneut. »Hey, Aub – «
    Aubrey öffnete die Augen.
    Bitty schrie auf und hob instinktiv die Hände zu ihrem Schutz. »O mein Gott!« Die Strickstube war in grell flackerndes blaues Licht getaucht, Blau drang in die Ritzen der Balken und hämmerte gegen die Wände, ein Blau wie ein brennender Stern kurz vor der Implosion.
    »Was zur Hölle ist da los?«, brüllte Craig durchs Fenster.
    Bitty brachte keinen Ton hervor.
    Doch dann blinzelte Aubrey. Nur einmal. Und mit einem lauten Knall wie von einer Pistole war das Licht von einem Augenblick auf den anderen verschwunden. Kühle, wohltuende Dunkelheit lag

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