Die Würfel Gottes
schien ihm deswegen sogar besser zu gehen: Er machte einen wacheren Eindruck als sonst, wandte sich hierher und dorthin, völlig unbeeindruckt von dem Umstand, dass seine Mutter nicht mehr bei ihnen war. Zwischenzeitlich schaute Monique David besorgt an und wartete darauf, dass er das Kommando gab. Obwohl sie den Laptop bereits entsorgt hatten, indem sie seine zertrümmerten Einzelteile in den Tellico River warfen, besaß sie immer noch den USB-Stick.
David hatte sich den größten Teil der vergangenen Nacht mit der Entscheidung herumgequält. Die Einheitliche Feldtheorie war eine der größten Errungenschaften der Wissenschaft, und ihre Gleichungen zu vernichten, schien ein Akt der Willkür zu sein, ein Verbrechen gegen die Menschheit. Aber Elizabeths Verschwinden hatte ihnen klargemacht, dass sie sich nicht für immer verstecken konnten. Früher oder später würde irgendetwas anderes schiefgehen, und die Soldaten würden sie finden. Dann hätte das Pentagon die einheitliche Theorie, und nichts auf der Welt würde sie daran hindern, sie einzusetzen. Innerhalb weniger Jahre würde die Army Vorrichtungen bauen, mit denen man sterile Teilchen in die zusätzlichen Dimensionen abschießen und jedes Terroristenversteck im Nahen Osten zerstören könnte. Die Generäle wären vielleicht in der Lage, die Theorie eine Zeit lang für sich zu behalten, ihre neue Geheimwaffe im Kampf gegen den Terror. Aber keine Waffe kann lange geheim bleiben.
Irgendwann würde sich das Wissen bis nach Peking und Moskau und Islamabad verbreiten, und die Saat für die Vernichtung der Welt wäre gelegt. Nein, das konnte David nicht zulassen. Er musste das Dr. Kleinman gegebene Versprechen brechen und die letzten Spuren der Theorie eliminieren. Bis jetzt hatte er sich diesem unwiderruflichen Schritt widersetzt, aber er konnte ihn nicht länger aufschieben.
Er trat zu einer gezackten grauen, halbkreisförmigen Felsnase, die aus dem Gipfel herausragte wie eine riesige Tiara. Er griff über den Felsvorsprung und hob einen losen Brocken Quarzgestein mit einem sich verjüngenden Ende auf, der in seine Hand passte. Ein Steinwerkzeug, dachte er, etwas, das ein prähistorischer Höhlenbewohner hätte benutzen können. Dann wandte er sich an Monique: »Okay, ich bin so weit.«
Sie kam zu ihm und legte den USB-Stick auf den Felsvorsprung, der nahezu flach war. Ihr Gesicht war angespannt, fast starr. Sie presste die Lippen so fest zusammen, dass David sich einbildete, sie versuche, nicht zu schreien. Es musste entsetzlich für sie sein, genau das aufzugeben, nach dem sie fast ihr ganzes Leben lang gesucht hatte. Und trotzdem war es ihre Entscheidung. Falls Einstein persönlich fünfzig Jahre in die Zukunft und den schrecklichen Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts hätte sehen können, würde er genau das Gleiche getan haben.
David hob den schweren Stein. Als er ihn über dem USB-Stick in der Schwebe hielt, schaute er noch einmal auf die blendend grünen Berge um sie herum, gekrümmt und gebogen in unzähligen Formen wie die Knitterfalten der Raumzeit. Dann schwang er den Arm nach unten und schmetterte den Stein so fest er konnte gegen den silbernen Zylinder.
Das Plastikgehäuse zersprang, und die Platine darin zerbrach in ein Dutzend Stücke. David zielte mit dem zweiten Hieb direkt auf den Speicherchip, und das Silikon zerfiel in Hunderte von schwarzen Splittern, von denen jeder so klein
war wie eine Bleistiftspitze. Er hieb weiter auf das Ding ein, bis der Chip zu Staub geworden war und die ihn umgebenden Stifte, Schaltungen und Kondensatoren in ein Haschee von Metallflöckchen verwandelt worden waren. Dann schaufelte er den Schrott in seine Hand und warf ihn über den Rand des östlichen Abhangs vom Haw Knob. Der starke Wind ergriff den Staub und verstreute ihn über dem Kiefernwald.
Monique zwang sich zu einem Lächeln. »Das wäre das. Zurück zum Reißbrett.«
David schleuderte den Stein den Abhang hinunter und ergriff ihre Hand. Ganz plötzlich überkam ihn eine seltsame Mischung aus Gefühlen, eine Kombination von Traurigkeit und Mitleid, Dankbarkeit und Erleichterung. Er wollte Monique für alles danken, was sie getan hatte, dafür, dass sie mehr als tausend Meilen an seiner Seite zurückgelegt hatte, dass sie ihn x-mal gerettet hatte. Aber anstatt die Worte auszusprechen, hob er impulsiv ihre Hand an die Lippen und küsste die braune Haut zwischen ihren Knöcheln. Sie warf ihm einen neugierigen Blick zu, überrascht, aber nicht
Weitere Kostenlose Bücher
Inherit the Dead Online Lesen
von
Jonathan Santlofer
,
Stephen L. Carter
,
Marcia Clark
,
Heather Graham
,
Charlaine Harris
,
Sarah Weinman
,
Alafair Burke
,
John Connolly
,
James Grady
,
Bryan Gruley
,
Val McDermid
,
S. J. Rozan
,
Dana Stabenow
,
Lisa Unger
,
Lee Child
,
Ken Bruen
,
C. J. Box
,
Max Allan Collins
,
Mark Billingham
,
Lawrence Block