Die Würfel Gottes
im Tunnel, während das Heck knapp außerhalb des Tors war. Die Hinterräder drehten sich wie verrückt in der Luft – der Motor lief noch, und das Gaspedal hatte sich offenbar verklemmt -, aber David schaffte es, sich an dem Fahrgestell vorbeizuzwängen und durch die Bresche zu klettern.
Er ließ sich auf den Betonboden des Tunnels hinab, der mit Glassplittern von den Scheinwerfern des Wagens übersät war. Das Strahlrohr schien jedoch unbeschädigt zu sein. Ein paar Fuß entfernt fand David einen Schaltkasten an der Wand. Er murmelte ein rasches Gebet, öffnete den Kasten und legte den manuellen Notschalter um. Aber es passierte nichts. Die lange Reihe der supraleitenden Magneten summte weiter. Gupta hatte die Notschalter deaktiviert, ganz wie Monique vorhergesagt hatte,
David hob ein Stück Schrott von dem Unfall auf, eine schwere Stahlstange, die durch die Wucht des Aufpralls aus dem Tor gerissen worden war. Er sah keine andere Möglichkeit. Es wäre unmöglich, einen der supraleitenden Magneten kaputtzumachen – die Windungen waren in dicke Stahlsäulen eingelassen -, und die Stromkabel für den Beschleuniger waren an der gewölbten Decke des Tunnels verlegt worden, außerhalb seiner Reichweite. Nein, die einzige Möglichkeit, das Tevatron abzuschalten, bestand darin, das Strahlrohr zu zertrümmern. Er musste hart genug darauf eindreschen, um den Strom der Teilchen zu unterbrechen, die daraufhin in seinen Körper eindringen würden wie eine Billion winziger Pfeile. Davids Augen begannen zu brennen. Nun ja, dachte er, wenigstens wird es schnell gehen.
Er rieb sich die Augen und flüsterte: »Tschüss, Jonah.« Dann holte er mit der Stahlstange aus. Aber als er zu einem Abschnitt des Strahlrohrs trat, der zwischen zwei Magneten verlief, bemerkte er ein anderes, direkt darüber liegendes Rohr, das mit den schwarzen Buchstaben HE beschriftet worden war. Das war das Rohr, mit dem das ultrakalte flüssige Helium zu den Magneten transportiert wurde. Das Helium war es, was den Magneten ihre Supraleitfähigkeit verlieh – es senkte die Temperatur ihrer Titanwindungen bis zu dem Punkt, an dem sie die Elektrizität ohne jeden Widerstand leiten konnten. Und während David das Ding anstarrte, begriff er, dass es noch eine Möglichkeit gab, die Teilchenstrahlen anzuhalten.
Er zielte nun auf das Heliumrohr. Er musste nur ein kleines Loch hineinschlagen. Sobald das flüssige Helium der Luft ausgesetzt war, würde es sich in ein Gas verwandeln und entweichen; dann würden die Magneten zu heiß werden, und das Tevatron würde sich automatisch abschalten. David schlug mit der Stange so fest zu, wie er konnte, und traf das Rohr direkt auf dem schwarzen HE. Durch den ganzen Tunnel hallte ein durchdringendes Klirren. Der Schlag hatte eine zollbreite Beule in das Rohr gemacht – gut, aber nicht gut genug. Er traf das Rohr noch einmal an der gleichen Stelle, wodurch die Beule breiter und tiefer wurde. Ein weiterer Schlag müsste reichen, dachte er, als er wieder mit der Stahlstange ausholte. Dann riss ihm jemand die Stange aus den Händen und zog ihn von dem Strahlrohr weg.
Davids Kopf knallte gegen die Betonwand des Tunnels. Er sah seinen Angreifer nicht, aber als er zu Boden sank, hörte er eine vertraute Stimme.
»Hallo, Dr. Swift. Ihre Kollegin Dr. Reynolds war so freundlich, mir zu sagen, wo Sie sind. Und ich musste ihr nur zwei Finger abnehmen.«
»Nein, Ma’am, es ist gar nichts los hier. Nur ein weiterer schöner Tag am Fermilab. Vierundzwanzig Grad und kein Wölkchen am Himmel.«
Adam Ronca, der Leiter des Sicherheitsdiensts am Fermilab, hatte eine joviale Stimme. Während Lucille ihm am Telefon zuhörte, stellte sie sich vor, wie er aussah: untersetzt, rotes Gesicht, mittleren Alters. Ein gelassener Typ, der einen nicht besonders anstrengenden Job gefunden hatte. »Was ist mit Ihren Berichten?«, fragte sie. »Sind Ihnen in den letzten Stunden irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle zu Ohren gekommen?«
»Nun, dann wollen wir mal sehen.« Er legte eine Pause ein, raschelte mit ein paar Papieren. »Um vier Uhr zwölf sah die Wache am Westtor eine Bewegung am Waldrand. Ein Fuchs, wie sich dann herausstellte. Und um sechs Uhr achtundzwanzig hat sich die Feuerwehr um einen Alarm im Neutrino-Detektor gekümmert.«
»Ein Alarm?«
»Hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten. Sie haben dort Probleme mit der Sprinkler-Anlage. Das verflixte Ding geht immer wieder …« Statisches Rauschen unterbrach ihn. »Äh,
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