Die Würfel Gottes
überwiesen und versprochen, eine weitere Million zu zahlen, wenn der Job erledigt war.
Das Ironische an der Sache war allerdings, dass Simon die Arbeit mit Freuden umsonst gemacht hätte, wenn ihm von vornherein klar gewesen wäre, worum es dabei ging. Das volle Ausmaß von Henrys ehrgeizigen Plänen war ihm erst vor einer Woche aufgegangen, als er dem Landsitz von Jacques Bouchet in der Provence seinen Besuch abgestattet hatte. Simon war dem französischen Physiker gegenübergetreten, als dieser in der Badewanne saß, und nach einem kurzen, feuchten Ringkampf begann der alte Mann zu reden. Leider kannte er nur ein paar Einzelteile der Einheitlichen Feldtheorie, aber er erzählte Simon eine ganze Menge über die möglichen Konsequenzen eines Missbrauchs der Gleichungen. Bouchet hatte offensichtlich erwartet, dass Simon nach dieser Information von Entsetzen gepackt würde, vielleicht in einem Maße, das ihn dazu veranlasste, das ganze Unternehmen abzublasen, aber stattdessen war Simon geradezu entzückt gewesen.
Wie es der Zufall wollte, stimmten die Wünsche seines Klienten völlig mit seinen eigenen überein. Von einem Gefühl des Triumphs durchdrungen, hatte er die Befragung Bouchets fortgesetzt, bis der alte Mann zitternd in der Wanne saß. Dann hatte er dem Physiker die Pulsadern aufgeschnitten und zugesehen, wie die Blutwolken sich im Badewasser ausbreiteten.
Eine Minute vor halb zehn griff Simon nach seinem Handy und öffnete es in Erwartung von Henrys Anruf. Sergej und Larissa erschienen mit erwartungsvollem Lächeln auf dem
Display. Habt noch ein bisschen Geduld, flüsterte Simon. Es dauert nicht mehr lange.
Um exakt halb zehn klingelte das Telefon. Simon hob das Gerät an sein Ohr. »Hallo, hier spricht George Osmond«, sagte er. Sein eigener Deckname.
»Guten Morgen, George. Es tut gut, Ihre Stimme zu hören.« Die langsame, bedächtige Stimme mit dem Akzent aus dem Nahen Osten. »Erzählen Sie mir doch, wie das Spiel gestern Abend ausgegangen ist.«
Henry verließ sich bei den meisten seiner Codes auf Metaphern aus dem Baseballbereich. Obwohl ihre verschlüsselten Gespräche manchmal ans Lächerliche grenzten, musste Simon zugeben, dass die Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll waren. Seit dem 11. September war kein Telefongespräch mehr sicher. Man musste davon ausgehen, dass Regierungsstellen alles abhörten. »Das Spiel war ein bisschen enttäuschend«, sagte er. »Es wurde kein Lauf erzielt.«
Eine lange Pause entstand. Henry war eindeutig nicht erfreut. »Was war mit dem Pitcher?« Das war ihr Codewort für Kleinman.
»Ist gar nicht zum Einsatz gekommen. Für ihn ist die Saison leider zu Ende.«
Eine noch längere Pause. »Wie ist das passiert?«
»Behinderung durch die Yankees. Sie können in den Zeitungen von heute einen Spielbericht lesen. Die Reporter haben natürlich nicht alle Einzelheiten auf die Reihe gekriegt. Sie haben versucht, noch einen Drogenskandal daraus zu machen.«
Diesmal dehnte sich das Schweigen fast zu einer halben Minute. Simon stellte sich seinen Klienten in einem weißen Dishdasha-Gewand vor, wie er eine Schnur mit Betperlen strangulierte. »Ich bin alles andere als glücklich darüber«, sagte er schließlich. »Ich habe große Stücke auf diesen Pitcher gehalten. Wie sollen wir ohne ihn gewinnen?«
»Keine Sorge, ich habe einen anderen aussichtsreichen Kandidaten. Ein jüngerer Mann, ein Spieler mit großer Zukunft. Er hat eng mit dem Pitcher zusammengearbeitet, glaube ich.«
»Habe ich seinen Namen schon mal gehört?«
»Er wird auch in den Zeitungen erwähnt. Ein College-Spieler. Ich glaube, er hat das, was wir brauchen.«
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Im Moment noch nicht. Ich war kurz davor, gestern Abend Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber er hat plötzlich die Stadt verlassen.«
Henry ließ ein unzufriedenes Grunzen hören. Offenbar kein geduldiger Mann. Aber das war sein Typ auch selten. »Das ist inakzeptabel«, sagte er. »Ich zahle Ihnen ein gutes Gehalt. Dafür kann ich bessere Ergebnisse verlangen als das hier.«
Simon spürte, wie sich leichter Ärger in ihm breitmachte. Er rühmte sich seines Professionalismus. »Beruhigen Sie sich. Sie bekommen schon etwas für Ihr Geld. Ich kenne jemanden, der mir helfen kann, diesen Spieler zu finden.«
»Wer ist das?«
»Ein Agent in der Organisation der Yankees.«
Noch ein langes Schweigen folgte, aber diesmal von anderer Art. Es war ein verwundertes, sprachloses Schweigen. »Von den Yankees?«,
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