Die Würfel Gottes
willst dir diese Leute nicht zu Feinden machen. Das wäre nicht gut für dich, und es wäre nicht gut für deinen Sohn.«
Sie ging um ihn herum und öffnete die Wohnungstür wieder. Sie konnte nicht glauben, dass sie jemals mit diesem Menschen geschlafen hatte. »Mach, dass du hier rauskommst, Amory. Und du kannst deinen Freunden sagen, dass sie sich ins Knie ficken können.«
Er schnitt eine Grimasse und verzog seine Oberlippe. Mit aller Würde, die er aufbringen konnte, verließ er das Apartment. »An deiner Stelle wäre ich vorsichtig«, sagte er kalt. »Ich würde nichts Überstürztes tun.«
Karen warf die Tür ins Schloss. Sie hatte allerdings vor, etwas sehr Überstürztes zu tun.
Der Vizepräsident saß am Schreibtisch seines Büros im Westflügel und stocherte lustlos in seinem Essen herum, einem kleinen, trockenen Stück Hähnchenbrust, das von gedünsteten Karotten umringt war. Seit seinem vierten Herzinfarkt servierten ihm die Küchenchefs des Weißen Hauses dauernd geschmacklose, fettarme Gerichte wie dieses hier. Während des ersten Jahres hatte er die neue Diät stoisch akzeptiert; die Erinnerung an die schrecklichen Schmerzen in seiner Brust war frisch genug, ihn auf dem Pfad der Tugend wandeln zu lassen. Aber im Lauf der Zeit wurde er immer ärgerlicher. Er sehnte sich nach einem Porterhouse Steak, das in seinen Säften schwamm, oder nach einem faustgroßen Hummerschwanz, der in geschmolzener Butter getränkt war. Die tägliche kulinarische Entbehrung versetzte ihn in eine üble Stimmung und war dafür verantwortlich, dass er seine persönlichen Berater und seine Begleiter vom Secret Service anschnauzte. Nichtsdestoweniger machte er unermüdlich weiter. Das amerikanische Volk zählte auf ihn. Der Präsident war ein Banause, eine hirnlose Galionsfigur mit einem Talent dafür, Wahlen zu gewinnen, aber wenig mehr. Ohne den Beistand und die Beratung des Vizepräsidenten würde die gesamte Regierung schnurstracks den Bach runtergehen.
Während er auf seinem geschmacklosen Hähnchen herumkaute, klopfte es an der Tür. Nachdem er das Stück Fleisch hinuntergewürgt hatte, antwortete er: »Ja?«, und einen Augenblick später trat der Chef seines Mitarbeiterstabs ein. Aber bevor der Mann ein Wort sagen konnte, stürmte der Verteidigungsminister schon an ihm vorbei in den Raum, seinen Quadratschädel gesenkt wie einen Rammbock. »Wir müssen miteinander reden«, verkündete er.
Der Vizepräsident gab seinem Stabschef ein Zeichen,
dass er das Büro verlassen und die Tür hinter sich schließen solle. Der Verteidigungsminister war zwar aufdringlich, jähzornig und von einem geradezu grotesk übertriebenen Selbstbewusstsein, aber er war einer der wenigen Leute in der Regierung, denen der Vizepräsident trauen konnte. Sie arbeiteten schon seit Nixons Tagen zusammen. »Was ist es denn dieses Mal?«, fragte der Vize. »Noch eine Explosion in Bagdad?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir haben ein Problem mit der Operation Shortcut.«
Der Vizepräsident schob seinen Teller beiseite. Er fühlte ein Stechen mitten in der Brust. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei alles in trockenen Tüchern.«
»Es ist die Schuld des gottverdammten FBI. Sie haben schon zweimal Scheiße gebaut.« Der Minister nahm seine randlose Brille ab und stach damit in die Luft. »Zuerst haben sie einen Häftling entkommen lassen, weil sie ihn zu einer schlecht verteidigten Einrichtung gebracht haben, und dann haben sie eine andere Zielperson durch die Maschen schlüpfen lassen, weil sie die Überwachung vermasselt haben. Jetzt sind sie beide auf der Flucht, und das Bureau hat keine Ahnung, wo sie sind.«
Das Stechen in der Brust des Vizepräsidenten wurde stärker. Es fühlte sich an wie eine Reißzwecke unter seinem Brustbein. »Wer sind diese Zielpersonen?«
»Es sind Professoren, wahrscheinlich ultraliberale Irre. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie mit al-Qaida Hand in Hand arbeiten würden. Oder die Iraner bezahlen sie vielleicht. Das Bureau hat natürlich keinen Schimmer. Der Direktor hat einer Frau die Leitung der Operation anvertraut, das ist ein Teil des Problems.«
»Wie heißt sie?«
»Parker, Lucille Parker. Ich weiß nicht viel über sie, außer dass sie aus Texas stammt. Aber das erklärt alles. Sie hat
wahrscheinlich irgendeinen Draht zu unserem Obercowboy.« Er fuhr ruckartig mit dem Kopf nach links, in Richtung des Oval Office.
Der Vizepräsident nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas und hoffte, das würde
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