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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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unruhig auf dem Boden. Kein gutes Zeichen. Magdalena seufzte. Es blieb ihr keine Zeit, sich mit neuen Wickeln um ihn zu kümmern. Ohne lange nachzudenken, griff sie nach dem Branntweinschlauch, kniete nieder und setzte ihn Seume an die Lippen.
    »Trink!«, beschwor sie ihn. Klopfenden Herzens stützte sie ihm den Kopf und stieß die Öffnung immer heftiger an seine Lippen. Warum öffnete er sie nicht? Sonst zierte er sich nicht lange, wenn ihn der Dunst des Alkohols in der Nase kitzelte! Ein Zittern durchlief seinen Körper. Es schüttelte ihn. Das Lid am unversehrten Auge zuckte heftig. Krämpfe und heftige Träume hatten ihn im Griff. Ihr blieb keine Wahl. Wollte sie sichergehen, musste sie ihn stärker betäuben. Noch einmal ruckte sie an seinem Kopf und presste den Schlauch fester gegen die Lippen. Einen quälenden Augenblick lang schlug er das gesunde Auge auf, stierte sie an. »So trink doch endlich!« Ihre Stimme überschlug sich vor Aufregung.
    Endlich öffnete er die Lippen einen Spalt, gerade weit genug, um ihm den Schlauch gewaltsam hineinzuzwängen. Schon hob sie ihn an, kippte die Flüssigkeit in seinen Mund. Zu schnell. Er würgte und spuckte, hustete, bis sich sein Leib aufbäumte. Sie setzte den Schlauch ab und wartete. Ihr stand der Schweiß auf der Stirn. Längst schwanden ihr die Kräfte. Wenn sie nicht aufpasste, brachte sie ihn doch noch um. Nervös lachte sie auf. Irgendwann hörte er endlich auf zu husten. Sein Atem wurde flacher und gleichmäßiger. Endlich entfaltete der Alkohol seine Wirkung und versetzte ihn in einen sanften Schlaf. Ein geübter Trinker wie Seume hielt wohl auch dem Ärgsten stand. Sicherheitshalber legte sie ihm einen feuchten Umschlag auf den Kopf. Selbst wenn er aufwachte, würde er nicht sehen können, was im Zelt geschah.
    Als sie hinter den Vorhang schlüpfte, hatte Eric sich bereits halb aufgerichtet und sah ihr lächelnd entgegen.
    »Bist du verrückt?« Sofort hieß sie ihn, sich wieder hinzulegen. Besorgt machte sie sich an den Verbänden um seinen Bauch zu schaffen und überprüfte den Zustand der Heilung. Abermals aufgebrochen war zum Glück nichts. Vorsichtig betastete sie die Narbe und begutachtete den Grind, der sich darauf gebildet hatte. Rasch strich sie aus einem Tiegel Salbe darauf. Die rote Mennige verlieh ihr die auffällige Farbe, dafür verströmte sie dank des Rosenöls einen angenehmen Duft.
    »Gleich musst du vorsichtig aufstehen. Schaffst du das?« Kaum hob sie den Blick, um ihn anzusehen, sondern konzentrierte sich darauf, ihm den Leib mit frischem Leinen fest zu verbinden. Das würde ihm auch etwas Halt spenden. Stumm nickte er, nahm ihre Hand und führte sie zum Mund, um sie zu küssen.
    »Nicht.« Abrupt zog sie sie weg. Auf einmal scheute sie die Nähe. Um den plötzlich aufwallenden Schmerz in ihrem Innern nicht zu verschlimmern, wich sie dem Blick der blauen Augen aus. »Ich verbinde dir jetzt auch noch den Kopf. So wird man dich nicht erkennen und für einen frisch Verletzten halten, der vorhin beim Überfall eine Wunde davongetragen hat. Wenn dich einer fragt: Du hast einen heftigen Schlag auf den Schädel bekommen, als die Schweden uns angegriffen haben. Eine Weile warst du ohne Bewusstsein und kannst dich deshalb an nichts erinnern. Sprich möglichst wenig, tu einfach so, als könntest du kaum Deutsch. Gibt ja genug Kroaten oder Welsche in unseren Reihen. Niemand wird sich wundern.«
    Als sie das Leinen um seinen Kopf schlang, zitterten ihre Hände. Immer wieder rutschte sie ab, musste neu ansetzen, um es straff und fest anzulegen. Dabei spürte sie Erics Atem wie einen heißen Strahl gegen ihren Busen. Er atmete gegen die nackte Haut ihrer Brust, dorthin, wo der Bernstein hing. Eric hielt die Augen geschlossen. Beruhigt schöpfte sie Luft. Die Wärme tat gut, durchströmte ihren Körper. Versonnen träumte sie einen Moment, genoss die Zweisamkeit.
    »Wird man nicht merken, dass ich geflohen bin? Die Steckenknechte schöpfen doch sofort Verdacht, wenn mein Platz leer ist.«
    Unsanft riss die Frage sie in die Wirklichkeit zurück. Verwirrt sah sie ihn an und brauchte etwas, bis sie den Sinn seiner Worte begriff. »Meister Johann hat einen Toten gefunden, den wir an deiner statt hierherlegen. Tu einfach, was der Meister dir sagt. Alles andere wird sich finden.«
    »Danke!« Dieses Mal unterließ er es, sie anzufassen. Auch drehte er den Kopf zur Seite, so dass er nicht mehr direkt gegen sie atmete. Sie spürte ein leichtes Bedauern, sagte

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