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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hinterlassen. Die Verwesung war deutlich fortgeschritten, wovon nicht allein der penetrante Geruch zeugte. Elsbeth ließ sich auf der anderen Seite der Matte nieder und verfolgte jeden ihrer Handgriffe mit Argusaugen. Der kleingewachsene Steckenknecht hingegen ertrug den Anblick nicht und hielt sich so weit als möglich entfernt.
    »Wann er wohl gestorben ist?«, fragte Elsbeth so laut, dass auch er es hörte. Um ihren Mund zuckte es verräterisch. Das wissende Grinsen stieß Magdalena auf. Zu ihrem Entsetzen musste sie sich eingestehen, dass Elsbeth also wirklich Bescheid wusste. Anscheinend war sie jedoch bereit, vorerst mitzuspielen. Der Preis für ihr Schweigen würde gewiss nicht niedrig sein.
    Beunruhigt tat Magdalena, als überprüfe sie die wichtigen Lebensfunktionen wie Puls und Herzschlag. Selbst im schwachen Licht war die graue Hautfarbe des Toten gut sichtbar. Die grünen Augen starrten leer nach oben, die Kinnlade klaffte weit offen.
    »Schwer zu sagen, wie lange er schon tot ist.« Magdalena bemühte sich um einen ruhigen Ton. »Die letzten Tage hat er mehr oder weniger im Dämmerzustand verbracht. Der Weg von Meister Johanns Zelt hierher ist ihm nicht gut bekommen. Die Narben sind aufgeplatzt, das Fieber kam zurück. Dass er trotzdem so ruhig geschlafen hat, war uns sehr recht, denn wir hatten ja schon genug mit Seume zu tun.« Nach einem Blick auf den lauschenden Steckenknecht fuhr sie fort: »Du hast selbst erlebt, dass Seume unsere ganze Aufmerksamkeit beansprucht hat. Viel haben wir uns nicht um den Halunken kümmern können. So wichtig war das auch nicht. Von weitem hat es ausgesehen, als schlafe er. Kann also gut sein, dass er heute früh schon tot war, als wir hinüber zum Lazarett mussten. Wir haben es wohl einfach nicht bemerkt.«
    Die Lügen gingen ihr leicht über die Lippen. In die Augen sehen konnte sie Elsbeth dennoch nicht. Die hatte weiterhin das wissende Lächeln um die Mundwinkel und schwieg.
    »Ich sag es vorne«, murmelte der Steckenknecht und verdrückte sich. Die Übermittlung der Nachricht durfte nach Elsbeths Aufschrei zwar überflüssig sein, denn der Profos musste sie gehört haben. Trotzdem war Magdalena erleichtert, als sie die aufgeregten Stimmen hinter dem Vorhang vernahm. Weil er eine List befürchtete, ordnete Seume an, dass beide Steckenknechte zu ihnen kamen und der Untersuchung des Delinquenten beiwohnten.
    Murrend kam also auch der zweite mit Carlotta auf dem Arm herüber. Still umklammerte die Kleine seinen Hals und würdigte die beiden Frauen keines Blickes.
    »Tot«, stellte Magdalena erneut fest. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, hatte sie zuvor im Beisein der beiden Männer die Leiche noch einmal übertrieben gründlich geprüft. Elsbeth umschrieb mit dem Talglicht in der Hand einen Bogen über dem Kopf des Toten. Verwundert sah sie ihr dabei zu.
    »Die Augen«, flüsterte die Cousine leise und sah sie auffordernd an. Magdalena verstand zunächst nicht, was sie meinte. »Drück sie endlich zu«, sagte Elsbeth lauter.
    »Mach schon«, forderte der größere Steckenknecht Magdalena auf und schaukelte Carlotta auf den Armen, als wäre es seine eigene Tochter. Magdalena tat, wie ihr geheißen. Triumphierend lächelte Elsbeth sie an. Erst da begriff sie, was die Cousine ihr hatte klarmachen wollen: Ihr war die falsche Augenfarbe sofort aufgefallen.
    »Hier brauchst du mich vorerst wohl nicht mehr«, sagte Elsbeth mitten in ihre Gedanken hinein. »Ich kümmere mich besser um Carlotta. Das Kind muss unbedingt raus an die frische Luft.«
    Behende nahm sie es vom Arm des Steckenknechts und verschwand. Magdalena wollte ihr folgen. Das Zucken um Elsbeths Mundwinkel verhieß nichts Gutes.
    »Hiergeblieben!«, herrschte der größere der Knechte sie an und riss sie am Arm zurück. »Das könnte dir so passen, uns mit dem stinkenden Toten allein zu lassen!«
    32
    Der wolkenverhangene Himmel verwischte den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Die einsetzende Abenddämmerung machte sich nur dadurch bemerkbar, dass selbst in den wenigen Wolkenlücken keine Helligkeit mehr aufblitzte. Erschöpft lehnte Magdalena sich an eine Zeltstange und starrte nach Osten, über die Ufer der Ohm hinweg, dorthin, wo die Schweden und die Kaiserlichen seit dem frühen Morgen gegeneinander kämpften. Das Schlachtgetöse wurde leiser, die Abstände zwischen den Kanonenschüssen länger, und die Musketen knallten nicht mehr so häufig. Das Klirren der Piken und Schwerter erlahmte, selbst das

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