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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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weiter weg, wie sie fluchend und schimpfend herübermarschierte. Mit der vielgerühmten Schönheit hatte diese Gestalt wenig gemein. Strähnig hing ihr das Haar vom Kopf. Der lange Hals war durch die geduckte Haltung kaum zu erkennen, ebenso wenig die schlanken, grazilen Beine.
    Auch Magdalenas Haar tropfte, hatte durch die Nässe sein leuchtendes Rot verloren. Schwer vom Regen drückte das Brusttuch auf ihre Schultern. Der kalte Schlamm des aufgeweichten Bodens klebte an den Schuhen. Sorgfältig strich sie sie gegen die Waden ab und wärmte sich durch das emsige Reiben gleichzeitig die Beine.
    Der größere der beiden Steckenknechte beobachtete sie mit grimmiger Miene. Die Arme vor der Brust verschränkt, stand er breitbeinig im Zelteingang und machte keine Anstalten, sie vorbeizulassen.
    »Lass mich rein. Meister Johann schickt mich, nach Seume zu sehen.« Drohend kniff sie die grünen Augen zusammen, was, wie sie wusste, ihrem Gesicht etwas Katzenhaftes verlieh. »Auch der andere Verwundete muss dringend versorgt werden.«
    »Der zählt nicht«, brummte der Mann. »Hast dir viel Zeit gelassen zurückzukommen. Derweil du es dir gutgehen lässt, muss Seume fürchterliche Schmerzen ertragen. Schau, dass es ihm schnell bessergeht, sonst möchte ich nicht in deiner Haut stecken.«
    »Habe ich ihn vom Podest gestoßen und ihm die Knochen gebrochen?« Magdalena kochte vor Empörung. Sie wusste, dass sie dabei war, einen entscheidenden Fehler zu begehen, doch sie konnte nicht an sich halten. »Selbst die Schweden habe ich nicht gerufen. Falls es dir entgangen sein sollte: Vor dem Lager tobt eine Schlacht. Todesmutig werfen sich die Unsrigen dem Feind entgegen. Seit dem Morgengrauen stehen wir Feldscher drüben im Lazarett an den Tischen und sägen und nähen, was das Zeug hält. Wenn du glaubst, das sei ein großes Vergnügen, dann stell dich selbst mal hin und säge einem deiner Kameraden den zerschossenen Unterschenkel ab oder halt einem anderen die Hand, bis sein Lebenslicht erlischt. Also, lass mich rein. Ich habe noch anderes zu tun, als Seume die selbstverschuldeten Wunden zu lecken.«
    »Pass auf, dass du gleich nicht was ganz anderes leckst!«
    »Dir bestimmt nicht!«
    Verblüfft trat er beiseite, verwehrte aber Elsbeth den Zutritt, die inzwischen ebenfalls angelangt war. »Was willst du hier?«
    »Sie hilft mir beim Verbandswechsel«, antwortete Magdalena an ihrer statt, um zu verhindern, dass Elsbeth etwas Falsches sagte. »Pass so lang auf das Kind auf. Dann habe ich beide Hände frei. Die werde ich auch brauchen, den guten Seume zu versorgen.« Entschlossen drückte sie dem Steckenknecht Carlotta in die Arme. Ihr mütterlicher Instinkt sagte ihr, dass er mit ihr umgehen konnte, und sie hatte sich nicht getäuscht: Geschickt fasste er nach der Kleinen und redete liebevoll auf sie ein. Bevor Elsbeth protestieren konnte, zog sie sie am Handgelenk ins Zelt. »Keinen Mucks. Tu einfach, was ich dir sage«, raunte sie ihr zu.
    Im Innern umfing sie eine düstere Stimmung, die nicht allein von dem rauchigen, spärlichen Strahl der Talglichter rührte. »Endlich!« Der zweite Steckenknecht erhob sich von seinem Schemel am wackligen Tisch in der Zeltmitte. Erleichtert bemerkte Magdalena, dass der Vorhang zum rückwärtigen Teil des Zeltes noch genauso straff gespannt war wie am Morgen. Offenbar hatte sich der Steckenknecht an ihre Anweisungen gehalten.
    »Mach, dass diese verdammten Schmerzen endlich aufhören!« Dafür, dass Seume sogleich losjammerte wie ein Sterbender, richtete er sich erstaunlich behende auf. Der turbanartige Verband am Kopf war verrutscht. Schnaufend schob er das Leinen über dem gesunden Auge hoch und verzog dabei das Gesicht zu einer leidenden Grimasse. Alles Furchteinflößende hatte er verloren. Er schien das nicht zu bemerken, sondern schimpfte in einer befremdlich krächzenden Stimme weiter: »Nicht zum Aushalten ist das! Der Branntwein geht auch zur Neige.«
    Wütend schleuderte er den Schlauch seinem Gehilfen vor die Füße. Der zuckte nicht einmal mit der Wimper, geschweige denn dass er Anstalten machte, ihn aufzuheben und für Nachschub zu sorgen.
    »Seid ihr nicht in der Lage, euch darum zu kümmern? Was treibt ihr die ganze Zeit, während ich hier leide?« Erschöpft plumpste Seume zurück auf seine Strohschütte und presste sich die Hände vor den schmerzenden Leib.
    »Ihr müsst wirklich starke Pein ertragen! Zwei gebrochene Rippen und die Platzwunden sind schon übel. Gar nicht zu

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