Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
befreite sie sich und rang sich trotz der wieder aufflammenden Wut ein süßliches Lächeln ab. »Ich sehe schon: Ihr seid ein tapferer Soldat und steht bald wieder voll im Saft. Bleibt trotzdem vorsichtig. Nicht dass Ihr Euch zu früh zu viel zumutet. Es könnte sein, dass ich dann ganz besondere Kräuter aufbieten muss, Euch zu heilen.«
    Die Betonung, die sie den Worten beimaß, verdeutlichte, dass das mehr eine Drohung denn ein Versprechen war. Bevor er abermals nach ihr fassen konnte, suchte sie Schutz hinter dem Tisch. Elsbeth, die schon dort stand, schob hastig die Hände in die Falten ihrer Röcke und bemühte sich, unbeteiligt auszusehen. Was hatte sie gerade getan? Es blieb Magdalena keine Zeit, das in Erfahrung zu bringen. Von Seumes Lager erklang ein eigenartiges Geräusch, als entweiche ihm überflüssige Luft. Anscheinend musste er sich Erleichterung von den angestauten Gefühlen verschaffen. Der Steckenknecht hatte es eilig, von ihm wegzukommen.
    Magdalena tat so, als bemerke sie nichts, und begann die Tiegel zu verschließen und die Leintücher aufzuwickeln. Elsbeth hustete immer lauter. Wütend blitzte sie sie an. Sie wusste selbst, was als Nächstes zu tun war.
    »Nach dem Schurken nebenan muss ich auch noch schauen.« Ihre Stimme zitterte mehr, als ihr lieb war. »Schließlich wollen wir, dass er bald auf eigenen Beinen unter dem Galgen steht. Er soll nicht meinen, seiner gerechten Strafe zu entgehen.«
    Verächtlich rümpfte Elsbeth die Nase.
    »Wann findet die Hinrichtung statt? Wenn auch Ihr wieder auf den Beinen seid? Oder seht Ihr Euch das Spektakel vom Krankenlager aus an?«
    Seume war mit anderem als mit einer Antwort beschäftigt. Sein Stöhnen wurde lauter. Er grunzte, schnaufte und entlud sich mit einem schrillen Schrei. Elsbeth kicherte, Magdalena kniff angewidert die Lippen zusammen. Mühsam richtete er sich endlich halb auf und sagte: »Ein Teufelsweib bist du! Kannst es wohl nicht abwarten, den Kerl hängen zu sehen, was? Los, schau nach, wie es um ihn steht. Ist mir schon unheimlich, wie ruhig der nebenan ist. Keinen Laut lässt der mehr von sich hören.«
    Sein gesunder Arm kreiste durch die Luft, als gäbe es einen ganzen Schwarm Mücken zu verscheuchen.
    »Weil er wohl immer noch schläft«, beeilte Magdalena sich gegen das aufkommende Misstrauen anzugehen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. »Eure beiden Gehilfen haben ihn nicht gerade sanft angefasst. Das hat ihm arg zugesetzt.«
    »Höre ich da etwa doch Mitleid aus deinen Worten? Was habt ihr Weiber immer nur mit den falschen Kerlen? Wahrscheinlich hat er dir den Kopf verdreht, indem er dich gar zu leidend angeschaut hat. Solche Halunken wissen genau, was sie zu tun haben, um euch aufs Kreuz zu legen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Los«, das Letzte galt seinem Gehilfen, der sich Richtung Zelteingang verdrücken wollte, »geh mit den beiden. Nicht dass der Schurke die beiden Weiber ganz für sich allein hat.« Dreckig lachte er auf und verfolgte mit gierigem Blick von seiner Lagerstatt aus, wie sie hinter den Vorhang schlüpften.
    »Grässlich!« Elsbeth schlug sich einen Rockzipfel vor die Nase. Magdalena wusste nicht, worauf sich die Reaktion bezog: auf Seume, dem sie oft zu Diensten gewesen war, oder auf das, was sie im trüben Dämmerlicht vor sich entdeckte. Weil sie so schnell als möglich aus Seumes Dunstkreis wegkommen wollte, war sie als Erste hinter den Vorhang geschlüpft. Der Steckenknecht war ihr auf dem Fuß gefolgt, so dass Magdalena am längsten brauchte, um zu Erics Lager zu gelangen. Sie wusste zwar, was sie dort erwartete, dennoch wich auch sie entsetzt zurück. Die beiden anderen sollten ihr nichts anmerken.
    »Tot!«, kreischte Elsbeth. »Der ist tot!«
    Mit den Ellbogen musste Magdalena den Steckenknecht beiseiteschubsen, um einen Blick auf die Matte zu erhaschen. So leicht aber wollte Seumes Gehilfe sie nicht vorbeilassen. »Pass auf!«, zischte er sie an. Ihr Schubs hatte ihn ins Stolpern gebracht, doch das war es nicht allein, was ihn aufregte. »Fass ihn nicht an!«, zischte er Elsbeth zu. Verärgert schlug er ihr auf die Finger.
    »Was soll sie ihm noch tun?«, schaltete Magdalena sich ein, weil sie auf einmal befürchtete, er beschuldigte Elsbeth, ihn umgebracht zu haben. »Lass mich nachsehen, wie es um ihn steht.«
    Sie spürte den misstrauischen Blick im Rücken, während sie niederkniete und die Decke zurückschlug. »O Gott!«, entfuhr es auch ihr.
    Die letzten Stunden hatten ihre Spuren

Weitere Kostenlose Bücher