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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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erspähte sie den dunklen Haarschopf ihres Gefährten im Gestrüpp der Linde. Er hockte mitten im Baum, den Rücken an den Stamm gepresst, die kurzen Beine hochgezogen und ganz offensichtlich darauf bedacht, von seinem Versteck aus den Hauptmann und seine neueingetroffenen Gäste zu belauschen.
    »Willst du nicht nach unten gehen? Besuch ist gekommen. Vielleicht bringen sie Nachricht, was um uns herum geschieht.« Lautlos war der kleine, dicke Mönch hereingekommen und stellte sich ganz selbstverständlich zu ihr ans Fenster.
    »Das sehe ich selbst. Du kannst sicher sein, dass wir die Letzten sind, denen sie erzählen, was außerhalb des Klosters vor sich geht. Oder spionierst du auch für die da unten?« Wütend drehte sie sich um und ging zur Truhe mit den Arzneimitteln.
    »Was soll das?« Der Mönch folgte ihr dicht auf den Fersen. »Ärgerst du dich etwa immer noch, weil ich den Hauptmann über den Zustand seines Freundes unterrichtet habe? Was ist so schlimm daran? Es war meine Christenpflicht. Er war in Sorge um ihn, hat mich ständig nach ihm gefragt. Immerhin handelt es sich um seinen treuen Diener.«
    »Treuer Diener – dass ich nicht lache! Kein einziges Mal hat er sich bislang hier blicken lassen, um nach seinem angeblich so teuren Freund zu sehen. Doch wie auch immer: Mir ist nicht danach, mit Männern wie dir über so etwas wie Christenpflicht zu sprechen.« Erbost nahm sie den Tiegel mit Wundbalsam, den er gerade aufgenommen hatte, aus seinen Händen und stieß ihn beiseite, um zum Lager des Verletzten zu gehen. »Deine Hilfe ist hier nicht mehr vonnöten. Mit dem letzten Patienten, der uns geblieben ist, werden Rupprecht und ich schon allein zurechtkommen.«
    »Meinst du nicht, das ist ein wenig voreilig?«
    »Du fragst dich wohl, was aus dir wird, wenn du hier nicht mehr gebraucht wirst.« Behutsam verstrich sie die Salbe auf dem noch immer leicht entzündeten Stumpf des Patienten unterhalb des Ellbogens. Trotz der Berührung schlief er weiter, jedenfalls hielt er die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig. »Die Schweden werden dich sicher unbehelligt abziehen lassen. Was wollen sie auch mit einem Mönch? Mit der Muskete umgehen kannst du wohl kaum, zum Beten aber brauchen sie erst recht keinen katholischen Klosterbruder, und so, wie es aussieht, wird der Trupp hier ohnehin bald dem restlichen Regiment Wrangels nach Bayern folgen. Bis auf den Kroaten sind die Verwundeten alle abmarschbereit. Freu dich also darauf, deinen Brüdern die Klosterpforten bald wieder zu öffnen.«
    »Da gibt es nichts zu freuen. Von denen ist keiner mehr übrig.« Dieses Mal sprach er so leise, dass sie ihn kaum verstand.
    »Oh«, entfuhr es ihr, wobei sie kaum Mitleid empfand. Sie wollte auch nicht wieder die immer gleiche Geschichte vom Untergang eines ehrenhaften Klosters hören. »Dann ist es deinen Brüdern nicht anders ergangen als so vielen Menschen in deutschen Landen.«
    »Worauf willst du hinaus? Täusche ich mich oder höre ich aus deinen Worten Schadenfreude? Das ist alles andere als christlich.«
    »Alles andere als christlich ist auch das, was unsereinem schon oft hinter den sogenannten heiligen Klostermauern widerfahren ist. Von Kindesbeinen an habe ich mit meinen Eltern im Tross gelebt. Seit den frühesten Kriegsjahren hat mein Vater als Söldner erst unter Pappenheim und später unter Mercy sein Soll erfüllt. Mussten wir das Winterquartier oder Krankenlager in Klöstern aufschlagen, so ist es uns meist schlechtgegangen: Kein Brot, kein Fleisch, keinen Wein oder Bier haben uns die heiligen Herren geboten. Das haben sie schnell in Sicherheit gebracht, um der leidigen Pflicht, die Söldnerheere zu versorgen, zu entgehen. Schlugen sich halt lieber selbst den Leib voll, statt brüderlich mit den Verteidigern ihres heiligen Glaubens zu teilen. Und das war meist noch das Geringste, was sie uns angetan haben. Von den anderen Dingen schweige ich lieber. Nur eine Bitte: Erzähl du mir nichts von klösterlicher Christenpflicht.«
    »Das klingt nicht eben rühmlich für meine unbekannten Brüder. Doch da ich nicht weiß, zu welchen Orden sich jene Mönche gezählt haben, kann ich dazu nichts sagen. Meine hiesigen Brüder haben für die Frevel anderer jedenfalls sehr hart büßen müssen. Lange vor dem Eintreffen eures Krankentrupps sind fast alle durch umherstreunende Marodeure massakriert worden. Die wenigen, die sich in Sicherheit bringen konnten, sind dem Zorn der Bauern zum Opfer gefallen, bei denen sie sich

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