Die Wundärztin
hatten verstecken wollen. Die Mönche mussten den Preis dafür zahlen, dass einer behauptet hat, wir hätten durch ungebührliches Verhalten den Zorn Gottes auf die Gegend heraufbeschworen.«
»War da nicht auch noch anderes, wofür so manch einer der Bauern sich an den benachbarten Klöstern rächen wollte? Ich habe noch von keinem Kloster gehört, das die umliegenden Dörfer nicht bis zum letzten Tropfen ausgepresst hätte. Auf Kosten der armen Gläubigen machen sich die geistlichen Herren doch ganz gern ein gutes Leben. Aber wie«, damit warf sie dem ehemaligen Apothekermönch einen neugierigen Blick von der Seite zu, »ist es dir gelungen, dem Angriff zu entrinnen?«
Eine dunkle Röte huschte über die feisten Wangen des Mönchs. Beschämt senkte er den Kopf. »Ich war nicht da«, murmelte er.
»Was? Wie kam das?« Ein Blick auf den Patienten genügte ihr, um zu wissen, dass der Mann noch immer schlief. Es wäre töricht, ihn zu wecken, nur um die Wunde am Stumpf unterhalb des Ellbogens weiter zu versorgen. Die Geschichte des Mönchs dagegen interessierte sie auf einmal. Vom Schicksal eines anderen zu hören lehrte sie möglicherweise, das eigene besser zu ertragen. Aufmunternd tippte sie ihm auf die Schulter und lächelte ihn an. Erstaunt hob er den Kopf. »Erzähl mir deine Erlebnisse. Vielleicht hilft es dir, darüber hinwegzukommen.«
Damit zog sie ihn zum Fenster, wo sie seine Mimik besser beobachten konnte. Bitten ließ sich der Mönch nicht lange, sondern sprudelte hastig los: »Wie du weißt, bin ich für die Klosterapotheke zuständig. Der Kräutergarten aber bietet längst nicht alles, was man für die verschiedenen Rezepturen braucht. Manche Kräuter lassen sich eben nicht in einem Garten ziehen, mag er auch noch so liebevoll gepflegt sein. Sie wachsen nur an verborgenen Plätzen. Nicht alles Kraut darf bei Tag geschnitten werden, manches nur in Vollmondnächten oder beim ersten Hahnenschrei, mitunter sogar nur dann, wenn man zuvor dreimal linksherum um einen Baum geschritten ist.«
»Dass ausgerechnet du diese Regeln kennst.« Amüsiert spitzte Magdalena den Mund. Solche Ratschläge waren ihr dank Roswithas Lehre bestens vertraut. Es überraschte sie, aus dem Mund des Mönchs Ähnliches zu hören. Ein leichtes Zwinkern seiner Augen versicherte ihr, dass ihm durchaus bewusst war, wie wenig christlich oder gar benediktinisch solche Anweisungen waren. »Also bin ich oft im Wald unterwegs und kenne die verschiedensten Plätze, an denen man diese Pflanzen finden kann. So war es auch an jenem frühen Morgen im Mai …«
Während die Worte des dicken Mönchs an ihr vorüberrauschten, beobachtete sie versonnen die Geschehnisse unten im Hof. Die beiden Neuankömmlinge hatten den Stallburschen ihre Pferde übergeben und waren zusammen mit dem Hauptmann näher an den Stamm der Linde getreten. Dort schienen sie eine angeregte Unterhaltung zu führen. Durch das dichte Laub sah Magdalena lediglich hin und wieder einen in rotem Tuch steckenden Arm durch die Luft fuchteln, dann blitzten die bunten Federn am Hut des zweiten Reiters zwischen den grünen Blättern auf, oder der hellblonde Haarschopf des Hauptmanns reflektierte die wenigen Sonnenstrahlen, die den Weg durch die dichten Wolken fanden. Gewiss waren die Bedingungen für Rupprecht auf seinem Lauschposten im Baum direkt über den Köpfen der drei besser, um etwas vom Gespräch der Männer aufzuschnappen.
»So hat mich dann Eric darüber unterrichtet, dass …« Von weit her waren die Worte des Mönchs an ihr vorbeigerauscht. Kaum unterschied sie die einzelnen Silben, geschweige denn, dass sie den Sinn noch verstand. Jäh aber fuhr sie zusammen, als sie auf einmal den vertrauten Namen aus seinem Mund hörte. »Eric?« Sie drehte sich dem Mönch zu. »Von welchem Eric sprichst du?«
»Eric Grohnert natürlich« sagte der Mönch erstaunt. Für ihn schien es nur diesen einen Eric zu geben. »Wie so oft wusste er schon lange vor allen anderen, dass …«
Das durfte nicht wahr sein! Ohne hinzusehen, fasste Magdalena den Stein, presste ihn unter dem Miederstoff fest gegen die Brust und schloss für einen Moment die Augen. »Wann war das? Wann hast du mit Eric Grohnert gesprochen?«
Der Mönch schien ihre Aufregung nicht zu bemerken. Ganz in seinen Bericht versunken, redete er weiter: »Also, es muss Anfang Mai gewesen sein, noch vor dem Pfingstfest, an dem der Heilige Geist zu uns auf Erden herabkommt. Vor allen anderen war der gute Eric darüber
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