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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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unterrichtet, welches Unheil unserem Kloster bevorstand. Nicht umsonst unterhält er ein so umfangreiches Netz aus Kundschaftern. Er ist einer der zuverlässigsten und ehrlichsten Kaufleute, die durch unsere Gegend kommen. Sowohl mit den Regimentern als auch mit den Leuten aus der Gegend treibt er regen Handel, teilt seine Gewinne gern mit den Bedürftigen und hat sich schon oft als verlässlicher Freund erwiesen. Die Nachrichten, die er auf seinen Reisen sammelt, sind für uns alle von großer Wichtigkeit.
    Umso schlimmer, dass auch er seit Wochen verschwunden ist. Immer wieder war er Gast hier bei uns im Kloster, hat den Abt nicht nur mit wichtigen Informationen versorgt, sondern auch Wein aus dem Elsass oder vom Kaiserstuhl mitgebracht, dabei die Fässer stets etwas großzügiger gefüllt als andere Händler. Auch feine Stoffe, besondere Wurstsorten, ja sogar seltene Bücher hat er für uns aufgetrieben. Selbst Bernstein und andere Kostbarkeiten kann er einem beschaffen, wenn man das will. Es heißt, er habe Verbindungen in ganz Europa, sowohl weit hinauf nach Norden, an die Küste, woher auch der unglückselige Gustav Adolf seinen Weg zu uns nahm, als auch bis unten nach Süden, gar bis ans Mittelmeer. Jenseits der Alpen soll er persönlich nach Piacenza gereist sein, um für einen kaiserlichen Feldherrn Parmesankäse aufzutreiben. Ein ganz famoser Bursche, sage ich dir. Als ich ihn das vorletzte Mal hier im Kloster …«
    Erregt lauschte sie ihm, sog jede Einzelheit über Erics bislang verborgenes Dasein als Kaufmann begierig auf. Doch schließlich hielt sie es nicht mehr aus und fiel ihm ins Wort: »Wie oft kommt er für gewöhnlich hierher? Gibt es jemanden, über den man mit ihm in Verbindung treten kann?«
    »Du kennst ihn also auch?« Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Nun war es an ihm, sie misstrauisch zu mustern. »Was hast du mit ihm zu schaffen? Der Bernstein, den du unter deinem Mieder trägst, stammt von ihm, nicht wahr? Er bedeutet dir wohl sehr viel.«
    Wie auf Kommando füllten sich ihre Augen mit Tränen. Rasch wandte sie den Kopf ab und biss sich auf die Lippen. Plötzlich spürte sie, wie er ihr sanft über den Arm strich. »Erics Freunde sollten zusammenhalten. Er selbst hat nie anders gehandelt, als den Freunden seiner Freunde ebenfalls mit Aufrichtigkeit zu begegnen. Soweit ich weiß, gibt es ein gutes Stück den Main hinauf unweit von Haßfurt eine Stadt namens Königsberg.«
    Nein, das konnte nicht sein! Magdalena spitzte die Ohren. Ausgerechnet Königsberg! Gab es nicht genug andere Orte, an denen Eric Zuflucht finden konnte? Sie war schon oft dort gewesen. Ein verheerendes Feuer zählte zu ihren frühesten Erinnerungen an die Gegend im Fränkischen. Erst hatte ein Stall gebrannt, dann ein Haus, bald noch eins und noch eins, schließlich die ganze Stadt, ähnlich wie zuvor in Magdeburg, wo Eric sie gerettet hatte. Dazwischen schreiende Menschen, weinende Kinder, brüllende Tiere. Düstere Erinnerungen drohten von ihr Besitz zu ergreifen. Sie presste die Hand auf ihr Mieder und fühlte die beruhigende Wölbung des Bernsteins.
    »Magdalena?« Von weit weg drang die Stimme des Mönchs an ihr Ohr. »Nach Königsberg ist Eric gereist, wenn es dem Winter zuging. Vielleicht hat er dort Familie oder Verwandte. Die beiden Männer dort unten«, er nickte in den Hof, »kennen ihn auch. Selbst der Hauptmann unterhält Verbindungen zu ihm. Ob Schwede oder Kaiserlicher, das ist Eric einerlei, Hauptsache, ehrlich, hat er stets gesagt. Was er mit dem Hauptmann zu schaffen hat, muss ich noch herausfinden. Gib mir ein oder zwei Tage, dann weiß ich mehr.«
    »Bist du sicher, dass Eric auch mit den Schweden gehandelt hat?« Ein weiteres Mal spürte sie diesen eigenartigen Schmerz in der Brust. So nah ihr Eric eben noch gewesen war, so rasch rückte er gleich wieder in weite Ferne.
    Die Miene des dicken Mönchs verschloss sich, als spüre er ihr Befremden. Schließlich wandte er den Kopf und sah mit starrem Blick nach unten in den Hof. Sie tat es ihm nach und beobachtete mit wachsendem Entsetzen, wie die beiden Besucher und der Hauptmann aus dem Schatten des Baumes traten. Einer von ihnen zeigte mit der ausgestreckten Hand nach oben in die Baumkrone, während die beiden anderen den Blick ebenfalls dorthin richteten, wo Rupprecht saß.
    9
    Rupprecht ließ sich viel Zeit damit, Magdalena darüber zu unterrichten, was er in seinem Versteck im Lindenbaum, hoch über den Köpfen des Hauptmanns und

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