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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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der beiden unbekannten Besucher, belauscht hatte. Ob er sich bewusst war, dass er der Entdeckung nur um Haaresbreite entgangen war, wusste sie nicht. Nachdem die Unbekannten davongeritten waren, war sie davon ausgegangen, dass er sofort zu ihr eilen würde. Doch erst deutlich später tauchte er im Refektorium auf, und ausgerechnet da wälzte sich der Kroate stöhnend hin und her. Magdalena befürchtete, ein neues Fieber würde ihn quälen. Besorgt fühlte sie ihm die Stirn, bereitete vorsorglich Umschläge aus Rosenöl und flößte ihm bittere Tropfen ein. Das verlangte ihre volle Aufmerksamkeit, so dass sie Rupprechts Auftauchen nur aus den Augenwinkeln beobachten konnte. Nach einem kurzen Blick auf den Patienten verschwand er bereits wieder. Seither hatte sie ihn nicht mehr alleine zu Gesicht bekommen. In Gegenwart anderer aber wagte sie ihn nicht auf den rätselhaften Besuch des Hauptmanns anzusprechen.
    Nach und nach flaute ihre Neugier ab. So umwälzend schienen die Nachrichten nicht zu sein, sonst hätte Rupprecht längst eine Gelegenheit gefunden, sie zu unterrichten. Zunehmend gewannen die Unterhaltungen mit dem redseligen Apothekermönch an Bedeutung für sie, wusste er doch einige erfreuliche Begebenheiten mit Eric aus den letzten beiden Jahren zu berichten. Zwar haderte sie eine Weile mit sich, ob der dicke Klosterbruder mit dem seltsamen Namen Ambrosius sich damit nicht einfach nur wichtig machen wollte, doch trösteten sie die Unterhaltungen mit ihm auch ein wenig über die ungestillte Sehnsucht nach der kleinen Carlotta und den Schmerz über Roswithas Tod hinweg. Seither tat es ihr wieder gut, sich abends vor dem Einschlafen oder in stillen Momenten untertags den Bernstein dicht vor Augen zu halten, das darin eingeschlossene Insekt genauer zu betrachten und dabei ihre Gedanken fest auf ihr Kind zu richten.
    An diesem Morgen tauchte Ambrosius nicht wie gewohnt im Refektorium auf. Eine unheimliche Stille lag über der gesamten Klosteranlage. Neugierig und ein wenig beunruhigt stellte sie sich an das Fenster und suchte die Umgebung ab. Niemand war zu sehen, von den angrenzenden Wirtschaftsräumen drangen jedoch leise Stimmen und Geräusche herüber. Ab und an sah sie eine Gestalt hinter den Fensteröffnungen vorüberhuschen. Der dicke Koch und sein Gehilfe eilten zum Kellereingang und kamen wenig später mit einer Kiste zurück. In der einen Hand schleifte der Koch den toten Hahn hinter sich her. Anscheinend trafen die Schweden Vorbereitungen, aus dem Kloster aufzubrechen und zu ihrem Regiment zurückzukehren.
    Abschiedsstimmung lag in der Luft. Das Vogelgezwitscher war verstummt, auch Bienen oder Hummeln surrten nicht durch die Luft. Schwalben waren die einzigen Lebewesen, deren Magdalena noch ansichtig wurde. Im Sturzflug jagten sie über der Erde, richteten ihre Schnäbel nur kurz vor Erreichen der Mauern auf, um schutzsuchend in die Vorsprünge zu kriechen. Gewaltige Wolken türmten sich am Horizont, die Sonne fand keine Spalte, wenigstens einzelne Strahlen hindurchzuschicken. Die spitzen Kirchtürme auf dem anderen Mainufer schienen die schweren Regenwolken wie eine Decke über das Firmament zu spannen. Weit in der Ferne grollte ein erster Donner.
    »Unwetter kommt«, hörte sie plötzlich eine angenehme Männerstimme in ihrem Rücken. Jäh fuhr sie herum. Der Kroate war aufgewacht und hatte sich auf seiner Strohschütte aufgerichtet. Zum ersten Mal spürte sie den durchdringenden Blick seiner dunkelbraunen Augen auf sich ruhen. Trotz der anderen Farbe seiner Pupillen erinnerte es sie an Eric. Auch bei ihm bildeten sich zwischen den Augen, direkt oberhalb der Nasenwurzel, jene weißen Linien, die beim Lächeln in der wettergegerbten Haut aufsprangen. Schon im nächsten Moment jedoch wirkte er wieder unglücklich.
    »Alle schon weit weg. Nur wir beide noch hier.«
    »Nein, die anderen sind noch nicht weg. Eben habe ich dort unten den Koch und seinen Küchenjungen gesehen. Sie treffen wohl langsam Vorbereitungen, demnächst abzuziehen. Bald werden sie auch uns Bescheid geben. Warum sollten sie ohne uns beide davonschleichen wie Diebe in der Nacht? Du bist ein guter Freund des Hauptmanns, das hat er mir selbst versichert. Nie und nimmer würde er zulassen, dass du hier zurückgelassen wirst.«
    »Pah, guter Freund! Hat er schon vergessen. Ohne uns sie leben viel besser.« Seine Stimme klang ebenso trotzig wie traurig.
    Eine Zeitlang musterten sie sich schweigend. Etwas an ihm zog sie an. Benennen konnte

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