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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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meisten waren von unzähligen Floh- und Läusebissen übersät. Sofort riss sie die Augen wieder auf, zwang sich, andere Bilder aufzunehmen, um die Erinnerung zu verdrängen.
    Lüstern blickten die Männer sie an. Der eine leckte sich die Lippen, der andere grunzte ungeduldig, ein dritter nestelte an der Schnalle seines Gürtels. Mit einem Mal begriff sie, was der Hauptmann im Schilde führte. »Nein, nein, das ist nicht wahr! Das ist nicht Euer Ernst!« Verängstigt kroch sie zu seinen Stiefeln und umklammerte sie wie eine Bettlerin. »Habt doch Erbarmen!«
    »Erbarmen? Mit einer wie dir?« Er stieß einen unverständlichen Laut aus. Als gälte es, eine lästige Ameise abzuschütteln, trat er mit der Fußspitze nach ihr. Sie ließ ihn dennoch nicht los, sondern schlang sich nur fester um ihn. Wie gern wäre sie im Erdboden versunken. Erniedrigt, wie sie war, kroch sie bar jeder menschlichen Würde weiter vor ihm im Dreck, um die letzte schwache Hoffnung auf Verschonung zu nutzen. Verärgert bückte er sich und zog sie grob von sich weg. »Gleich brechen wir auf!«, verkündete er in seiner dunklen, abgehackten Sprechweise. »Meinen Männern aber bin ich zuvor noch etwas schuldig.«
    Trotz ihrer Angst spürte sie einen seltsamen Unterton und begann zu begreifen. Mit dem, was seine Soldaten sich wünschten, schien er zwar nicht einverstanden, und er selbst konnte wohl wenig mit dieser Art von Begierde anfangen. Andererseits aber war ihm bewusst, wie leicht er sich damit ihrer weiteren Treue versichern konnte. Magdalena wollte aufschreien vor Empörung. Wie konnte er das zulassen! Ohne hinzusehen, winkte er bereits einem der im Halbkreis Stehenden zu. Aufheulend wie ein wildes Tier, stürzte der Mann nach vorn, riss ihr Mieder entzwei und fasste ihr rücksichtslos an die Brüste.
    »Aua!«, schrie sie und suchte mit den Augen die des Hauptmanns. Einen Wimpernschlag lang begegneten sich ihre Blicke, und sie meinte, trotz allem etwas wie Mitleid in dem seinen aufblitzen zu sehen. Durch das Zerren des Soldaten riss das Lederband um ihren Hals, und der Bernstein fiel zu Boden. Entsetzt sah sie, wie das im fahlen Licht honiggelb leuchtende Schmuckstück über die grauen Steine kullerte.
    »Hör auf!« Abrupt zog der Hauptmann den Soldaten wieder von ihr weg. Fluchend stolperte der zur Wand und kehrte den hämisch johlenden Kumpanen den Rücken zu, um seine Blöße zu verbergen. Verwundert sah Magdalena ihm nach, dann begriff sie, dass das die einzige Gelegenheit war, den Bernstein zu retten. Auf allen vieren kroch sie zu ihm und streckte die Hand nach ihm aus. Plötzlich tauchte etwas Braunes, Ledernes vor ihren Augen auf. Ein riesiger Stiefel. Der Fuß des Hauptmanns. Die Sohle war rauh und kotverschmiert. Mit einem entschlossenen Schritt nach vorn deckte der Schwede den Stein zu. Ein schwarzer Vorhang ging vor ihren Augen nieder, und wohltuende Stille umfing sie.
    12
    Das Rütteln und Zerren nahm kein Ende. Magdalena wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton heraus. Ihr Hals kratzte, jedes Atemholen brannte. Voller Scham hüllte sie sich in das zerfetzte Mieder. Dann erst hob sie vorsichtig den Kopf.
    Gleißendes Licht blendete sie. Jemand hielt ihr eine Laterne vor das Gesicht. Sie blinzelte, unterschied erst allmählich die Flamme und den sie umgebenden Lichtschein. Schließlich traten auch die anderen Konturen deutlicher hervor. Noch immer befand sie sich auf dem eiskalten Steinboden in der Eingangshalle des Klosters. Jemand griff ihr von hinten unter die Arme und zog sie zu einer Holzbank an der Seitenwand. Dankbar setzte sie sich und lehnte den Rücken an die weißgekalkte Wand. Zwei Fackeln erleuchteten die Halle spärlich. An der rechten Seite zierte ein großes schlichtes Eichenholzkreuz die Wand. Der flackernde Schatten, den es warf, flößte Magdalena Unbehagen ein. Vor ihr gähnte die offene Seite des Kreuzgangs in den schwarzen Innenhof. Das leise Prasseln des Regens war das einzige Geräusch. Die Soldaten waren verschwunden. Lediglich zwei Wachen hatten sich rechts und links der Tür postiert. Schweigend starrten sie Magdalena an. Sie wollte sich nach ihrem Helfer umsehen, als energische Stiefelschritte die Stille zerrissen. Erschrocken senkte sie den Kopf. Jede einzelne Faser ihres schmächtigen Körpers begann zu zittern, der Puls raste. Ihr wurde heiß und kalt.
    »Woher hast du den Stein?«
    Unschuldig baumelte das vertraute Stück vor ihrer Nase. Sie musste schielen, um etwas zu erkennen. Langsam

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