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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Nicht einmal einen Schluck Wasser konnte sie auf dem Wagen finden. Also wischte sie sich das Gesicht mit einem Rockzipfel sauber und band sich das Kopftuch neu. Auf zittrigen Beinen schleppte sie sich schließlich als Letzte ins Haus und schaffte es auch drinnen nur mit Mühe, bis zur Ofenbank zu kommen. Kaum dort niedergesunken, wurde ihr schwarz vor Augen.
    »Fieber hat sie!«, hörte sie die Frauenstimme vorwurfsvoll rufen, als sie nach einer halben Ewigkeit die Augen wieder aufschlug. Abermals versank alles um sie herum in dichtem Nebel. Stimmen und Geräusche drangen hohl und wie aus weiter Ferne zu ihr. Noch eine Ewigkeit später fühlte sie sich endlich so weit, die Augen wieder aufzuschlagen und sich umzuschauen. Sie blinzelte nach oben, erspähte rußgeschwärzte Balken an der Decke. Nach und nach schoben sich hellere Flecken davor. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie mehr erkennen konnte. Offensichtlich lag sie auf der Ofenbank. Vorsichtig hob sie den Kopf und drehte sich zur Seite. Die Umrisse der Menschen wirkten bizarr. Nahe bei ihr machte sie die fremde Frau und Eric aus. Weiter hinten an einem langen Tisch hatten sich die drei Reisegefährten und der Fuhrmann sowie ein Unbekannter, wahrscheinlich der Hausherr, versammelt. Abermals verschwammen die Gestalten vor Elsbeths Augen, hüllten Nebel und Rauch alles ein. Erschöpft schloss sie die Augen. Dann sammelte sie alle Kraft und öffnete sie wieder.
    Carlotta war verschwunden! Furcht erfasste Elsbeth, ihre Kehle war wie zugeschnürt. Wahrscheinlich sah sie noch immer nicht gut genug. Das verdammte Fieber! Sie wischte sich mit den schweißnassen Fingern über die Augen. Die Kleine musste hier sein. In diese Stube hatte die Frau sie hineingetragen, das hatte sie selbst beobachtet. Sie kniff die Augen zusammen, suchte jeden Winkel des Raumes noch einmal ab. Groß war das Kind ohnehin nicht, gut möglich, dass es zusammengerollt in einer Ecke schlief. Vor dem Ofen war die Bank, auf der Elsbeth nun halb aufgerichtet saß. Ein Korb mit Reisig stand davor, eine angefangene Näharbeit, wahrscheinlich bei ihrer Ankunft unordentlich beiseitegelegt, lag obenauf. Eric und die Fremde standen nicht weit davon, vertieft in eine geflüsterte Unterhaltung. Keiner von beiden achtete auf sie. Gegenüber hockten die Männer um einen Tisch, kehrten ihr die breiten Rücken zu, die Nasen tief in Bierkrüge gesteckt.
    Elsbeths Blick streifte die Eingangstür. Was hatte die Fremde mit Carlotta getan? Wo hatte sie sie nur hingebracht? Gab es eine weitere Kammer? Jäh fuhr sie auf, schwang die Beine auf den Boden und wollte aufstehen. Wieder gehorchte ihr Körper nicht. Als sie auf die Bank zurückplumpste, gab es ein dumpfes Geräusch. Hart schlug ihr Hinterkopf gegen die Ofenwand. Eric und die Fremde drehten sich um und sahen sie forschend an. Das war es! Eric steckte dahinter. Er hatte die Frau angewiesen, das Kind vor ihr zu verstecken. Sicher hatte er sie überhaupt nur aus diesem Grund hierhergeführt. Von Anfang an war das sein Plan gewesen. Damit wollte er sie voneinander trennen. Eine Falle – das sah ihm ähnlich! Abermals wurde ihr schwarz vor Augen. Sie fiel in eine dunkle Schlucht.
    Undeutlich erahnte sie einen Schatten über sich. Zwischen den Wimpern hindurch erkannte sie, wie die Frau sich über sie beugte. Die knöchrigen Finger strichen ihr die Haare aus der Stirn, hielten plötzlich ein blondes Büschel fest. Aufgeregtes Keuchen drang an ihr Ohr. Fauliger Atem traf ihre Nase und verursachte neuerlichen Würgereiz. Wenn ihr doch nur nicht alle Glieder so weh tun würden! Schon zerrte die Fremde mit den Fingern an ihren Augenlidern, versuchte, sie weiter aufzureißen, presste ihr schließlich die Hand um Mund und Kinn, bis sie den Mund widerwillig öffnete. Ungeniert stierte die Alte hinein.
    »Sieh dir das an!«, stieß sie empört aus und zerrte Eric am Arm. Er wollte sich losreißen, doch sie ließ ihn nicht, sondern deutete weiter aufgebracht mit den Fingern auf Elsbeth.
    »Was denn?«, fragte er und sah verständnislos zwischen ihnen beiden hin und her. Auf dem Gesicht der eben noch so mütterlich wirkenden Fremden breitete sich Häme aus. Bedächtig lehnte sie sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Langsam erhoben sich auch die übrigen Männer vom Tisch und kamen neugierig näher.
    »Kennst du das nicht?« Triumphierend tönte die Stimme der Frau durch den niedrigen Raum, den zwei Fackeln rechts und links der Eingangstür nur

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