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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Johann als Begleitung eines Versehrtenzugs in der Stadt oberhalb der Tauber gewesen. Die trutzigen Mauern hatten die Kriegsjahre bislang unbeschadet überstanden. Imposant ragten die vielen Türme daraus empor. Ein schmaler, gelbroter Streifen Sonnenlicht zog sich zum Abschied des Tages über den Horizont, zaghafte Ahnung eines Wetterumschwungs. Golden leuchtete eine Wetterfahne im milden Abendlicht. Das Schlagen einer Turmuhr schallte achtmal übers Land. Die Bürger hatten sich hinter die schützenden Mauern zurückgezogen, Schwerbewaffnete patrouillierten auf dem Wehrgang, gelegentlich war die Spitze einer Hellebarde zu entdecken.
    Zu Elsbeths Verwunderung lenkten die Reiter ihre Rösser kurz vor den Stadtmauern nach links. Eric und sein Gefährte folgten ihnen, wie auch der Fuhrmann den Ochsen wie selbstverständlich den weitaus schmaleren, holprigen Weg ostwärts wählen ließ, der schon nach einiger Zeit abermals in einen Mischwald führte. Dieses Mal schien es keine Unstimmigkeit über den besseren Weg zwischen den Männern zu geben.
    »Wollen wir nicht in die Stadt?«, raffte Elsbeth sich zu einer Frage an den Mann auf dem Kutschbock auf.
    »Wir besuchen alte Freunde«, knurrte er und drehte sich nur halb zu ihr um. Er nahm den Strohhalm, auf dem er den ganzen Nachmittag schon herumkaute, widerwillig aus dem Mund. Eine große Zahnlücke im Oberkiefer kam zum Vorschein, als er erklärte: »Eric und die anderen kennen sie schon lang. Das Gehöft liegt nicht weit von hier auf einer Anhöhe und ist eine günstige Unterkunft für uns.«
    Worauf sich seine letzte Bemerkung bezog, darüber schwieg er sich aus. Das Schmunzeln um seine Mundwinkel ließ verschiedene Deutungen zu. Elsbeth beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie war enttäuscht, nicht in die vertrauten Gassen der Stadt oberhalb der Tauber einzukehren. Sich außerdem noch über etwaige Anzüglichkeiten des Fuhrmanns aufzuregen kostete einfach viel zu viel Kraft.
    Das aufgeregte Bellen eines Hundes empfing sie, als sie sich bei Anbruch der Nacht dem Anwesen von Erics Freunden näherten. Es lag auf einem kegelförmigen Hügel, der sich mitten aus einer Ebene herausschälte. Um das Gehöft gruppierten sich ein halbes Dutzend weiterer Gebäude. Die Bewohner schienen sich sehr sicher zu fühlen, dabei zogen regelmäßig Regimenter sowohl der kaiserlichen und bayerischen als auch der schwedischen und französischen Armee durch die Gegend. Auf Wachhunde hatten sie verzichtet, ebenso wenig fand sich ein Hinweis auf sonstige Vorsichtsmaßnahmen. Nicht einmal bewaffnete Patrouillengänger hatten sie aufgeboten, um sich rechtzeitig über lauernde Gefahren zu informieren.
    »Endlich!«, begrüßte sie die angenehme Stimme einer älteren Frau. Kaum war der Karren zum Stehen gekommen, hatte sie die Tür aufgerissen und war mit einer Laterne in der Hand herausgekommen. Sie gab sich keine Mühe, ihre Neugier zu verbergen, und leuchtete Elsbeth und Carlotta unverhohlen ins Gesicht. Geblendet wandte Elsbeth den Kopf und schirmte die Augen der Kleinen mit der Hand ab.
    »Ein Kind und eine Frau? Seit wann bringst du solche Begleitung mit?« Belustigt knuffte die Fremde Eric in die Seite und zwinkerte ihm zu. Als der nicht antwortete, wandte sie sich an Elsbeth. »Gib mir das Kind! Ich bring es ins Haus. Werde dort schon ein kuscheliges Plätzchen für es finden.« Ehe Elsbeth sich versah, hatte die Frau Carlotta auf dem Arm und trug sie fort. »Du bist ein echtes Engelchen! Die schönen blauen Augen hast du von deinem Vater. Auch das Haar ist wie seins.« Laut bekundete die Frau ihre Freude über das Kind, herzte und liebkoste es, bis sie das Haus erreicht hatte und darin verschwand. Elsbeth schätzte sie etwa so alt wie Roswitha. Auch ihr Entengang erinnerte sie an die Hebamme. Die von vielen Geburten und dem Alter breit gewordenen Hüften sowie die krummen Beine unterstrichen diesen Eindruck.
    Als Elsbeth sich aufrichtete, um ebenfalls ins Haus zu gehen, überfiel sie starker Schwindel. Wie schon am Morgen stieg Brechreiz auf. Gerade noch rechtzeitig konnte sie den Kopf über die Karrenwand halten. Grünliche Galle gab sie in Krämpfen von sich.
    »Gut geht es der wirklich nicht«, knurrte der Fuhrmann. Dennoch bemühte er sich genauso wenig wie einer der anderen, ihr vom Wagen zu helfen. Den sauren Geschmack auf den Lippen hätte sie gern mit einem Schluck Branntwein getilgt. Der Schlauch aber war gut versteckt, oder die Männer trugen ihn gleich bei sich.

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