Die Wundärztin
seltsamer Pilz fand sich ebenfalls in den Töpfen wieder, nicht immer zum Wohl der Menschen, deren einziger Kampf in diesen Tagen dem Knurren der Mägen galt.
Alles in allem bot sich also auch in Freiburg das übliche Bild, wenn sich die Heere über Wochen in einer Gegend festgesetzt hatten. In der Regel wies das auf einen baldigen Abzug hin, unabhängig davon, wie die Kämpfe zuvor ausgegangen waren. Magdalena jedoch fürchtete den Moment, in dem das Aufbruchssignal ertönte. Solange sie keine Nachricht von Eric hatte, wollte sie in Freiburg bleiben. Das aber würde auf Dauer nicht möglich sein. Allein bei dem Gedanken stieg in ihrer Kehle bittere Galle auf. Es würgte und schüttelte sie, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte. Ohnehin erschwerte ihr der eigene Zustand, mit den Beschwerden der anderen gelassen umzugehen. Zusätzlich machte ihr Babette zu schaffen. Der Tod des Vaters und die Tatsache, dass ausgerechnet Magdalena die letzten Worte mit ihm gewechselt und ihm die Augen zugedrückt hatte, waren ein steter Quell für Streit.
Wie gut, dass Babette weder ahnte, worum der Vater Magdalena zuletzt gebeten hatte, noch, wie schmählich sie ihn in der Jauchegrube hatte bestatten müssen. Als sie an diesem Morgen die Tür des Kaufmannshauses erreichte, stand ihr wieder einmal der entsetzliche Anblick vor Augen.
»Wie man hört, sind die Zimmerleute nicht mehr aufgetaucht. Dein Eric hat dich also endgültig im Stich gelassen?« Die Arme vor der Brust verschränkt, wartete Elsbeth bereits auf sie. »Mach dir nichts daraus, meine Liebe, so sind sie alle: Gegen das Vergnügen im Heu haben sie nichts einzuwenden; da tauchen sie jeden Tag zuverlässig auf. Wenn es aber darum geht, für die Folgen des Stelldicheins einzustehen, ist es vorbei mit der Zuverlässigkeit, und sie hauen ab.«
»Was redest du da für einen Unsinn?« Magdalena spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Wider ihren Willen fühlte sie sich ertappt. Woher wusste die Cousine, dass sie sich von Eric im Stich gelassen fühlte? Wieso sprach sie überhaupt schon von ihrer Schwangerschaft? Mit keinem Menschen außer mit Roswitha hatte sie darüber geredet. Elsbeth aber wäre bestimmt die Letzte, mit der die alte Hebamme darüber plaudern würde. Erics spurloses Verschwinden war allerdings kein Geheimnis. Dass die Zimmerleute um Meister Rott nicht vom Bau der Kapelle zurückgekehrt waren, sorgte bereits seit längerem für die abenteuerlichsten Gerüchte im Tross. Trotzdem wollte Magdalena nicht gerade mit der Cousine darüber sprechen. Hastig versuchte sie, sich an ihr vorbeizudrücken.
»Brauchst dir nicht einbilden, dir wäre nichts anzumerken.« Elsbeth ließ sie nicht durch. Krampfhaft bemühte sie sich um einen freundlichen Ton. So leicht es ihr fiel, die Männer zu umgarnen, so schwer tat sie sich mit Magdalena. Vielleicht lag es an den vielen Jahren, in denen sie gemeinsam um die Gunst der Tante hatten buhlen müssen. Jetzt aber galt es, das zu vergessen. Sie hatte schließlich ein Ziel: Magdalena davon zu überzeugen, dass sie sich fortan zusammentun mussten. Wenn Babette von ihrer Schwangerschaft erfuhr, würde sie sie hochkant hinauswerfen. Schlimmstenfalls würde sie abermals bei ihrem schrecklichen Stiefvater enden, und dagegen erschien selbst das Hurenlager als reinstes Paradies. Im Bündnis mit Magdalena bestand ihre einzige Chance, dem zu entgehen.
Erneut versuchte sie, ein Gefühl von Vertraulichkeit bei der Cousine zu wecken. »Sei froh, dass nur ich es bin, die dich darauf anspricht. Ein kleiner Rat: Du verhältst dich viel zu auffällig. Wenn du nachts aus dem Haus schleichst, um in deinem Liebesnest auf Eric zu warten, höre nicht nur ich die Balken knarren. Babette hat mich schon mehrmals danach gefragt, wohin du schleichst. Lange kann ich ihr nicht mehr die Geschichte von einem Patienten erzählen. Außerdem bemerke nicht nur ich deine ständige Übelkeit. Du siehst aus wie ein Gespenst, hast dunkle Ringe unter den Augen, dazu kommen die eingefallenen Wangen sowie das ständige Würgen und Schnaufen. Einfältig wie eine Nonne müsste man sein, würde man sich nichts dabei denken. Sei also auf der Hut: Deiner Mutter ist dieser Zustand seit zwanzig Jahren vertraut. Oder soll ich dir aufzählen, wie oft sie schon in anderen Umständen war? Schon länger hast du dir keine Leinenstreifen aus unserer Kiste oben in der Kammer geholt. Auch das hat deine Mutter bemerkt. Da du wohl kaum Meister Johann um Leinen bittest, wenn du
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