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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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knittriges Gesicht.
    »Und als Lohn soll sie den Rock für dich heben?« Abfällig sah die Frau ihn an. »Dass du nicht selbst merkst, wie abstoßend du bist. Komm zu mir, meine Liebe, bei mir reicht es auch für deine tapfere Cousine. Bestimmt hat die großen Appetit, wenn sie ihre Arbeit als Wundärztin erledigt hat.«
    »Wo drei satt werden, reicht es auch für einen Vierten, was? Da kann ich doch auch zu dir und meinen Löffel in deinen Topf stecken.« Erfreut schwoll die Brust des alten Soldaten noch weiter an.
    Die Braunhaarige hatte genug Humor, seine Aufdringlichkeit leichtzunehmen: »Bring deinen Kessel noch mit, dann haben wir wenigstens genug Wasser drin!«
    »Gern!« Er quittierte das mit einem prustenden Lachen. Elsbeth beschloss, sich unauffällig davonzustehlen. Sie hatte weder Lust, mit dem Alten eine wässrige Suppe zu löffeln, noch mochte sie das Geplapper der Frau über sich ergehen lassen. Gewiss fand sie anderswo ein Plätzchen, an dem man sie auf Vielversprechenderes als auf eine dünne Suppe einlud. Ohnehin war es Zeit, Carlotta die Brust zu geben, immer eine gute Gelegenheit, die richtigen Männer mit halbentblößtem Busen auf sich aufmerksam zu machen. Ein buntes Marketenderzelt, an dessen Spitze eine fadenscheinige Fahne im schwachen Luftzug wehte, erschien ihr geeignet für diese Zwecke. Immer wieder scharwenzelte hier einer vorbei, wenn sie Glück hatte, sogar einer der höheren Ränge. Gestern erst war sie von jemandem in den Offiziersbereich auf der anderen Seite des Lagers eingeladen und dort mit reichlich Essen und Getränken für ein bisschen Grapschen belohnt worden. Erschöpft sank sie im Schatten nieder und legte sich die schweißnasse Carlotta an die Brust.
    »Ist halt doch kein Zuckerschlecken, so ein Kind!« Die krächzende Rabenstimme klang schadenfroh. Scheppernd fiel ein Kupferkessel um. Die Stimme fluchte, ihre Besitzerin stieß aber bereits gegen das nächste Hindernis, was dieses Mal ein dumpfes Geräusch verursachte. Abermals quittierte sie das mit wütendem Protest. Mit gemischten Gefühlen wandte Elsbeth sich um. Sie wusste auch ohne hinzusehen, dass die Hebamme Roswitha auf krummen Beinen angewackelt kam. Ungelenk stolperte sie über einen Haufen Lumpen, verhedderte sich mit den geschwollenen Füßen sogleich in einem Seil, warf beim Weitertorkeln noch einen zweiten Topf mit wässriger Suppe um und trat mitten in einen kleinen Berg aufgeschichteter Zweige, dass es knackte. Ein in die Erde gegrabener Backofen brachte sie schließlich zu Fall. Wie Strohhalme knickten ihre krummen Beine ein, und sie schlug der Länge nach hin. Mitleidlos beobachtete Elsbeth, wie sie sich mühsam wieder aufrappelte. So geschickt die alte Hebamme als Wehmutter sein mochte, so ungeschickt bewegte sie sich außerhalb des vertrauten Bereichs. Gerade darum liebte Magdalena die Alte abgöttisch. Elsbeth aber war der wabbelnde Strohsack nicht geheuer, obwohl sie bislang gut von ihr behandelt worden war.
    »Hast du etwa schon genug von dem Schauspiel drüben auf dem Richtplatz?« Neugierig blinzelte Roswitha sie aus wässrigen Äuglein an. Fast versanken die ganz in den unzähligen Falten ihres Gesichts, das an einen eingelagerten Apfel am Ende des Winters erinnerte. Ähnlich vergoren roch die Alte, wenn auch ihr Mund stets frischen Minzgeruch verströmte. Auf die Pflege der erstaunlich weißen, guterhaltenen Zähne legte sie großen Wert.
    »Der Kleinen war es wohl zu viel.«
    »Wo steckt Magdalena?«
    »Rupprecht hat sie gerufen. Es gibt wohl einen Schwerverletzten, den sie operieren müssen.«
    »Hm«, krächzte Roswitha und wandte den Blick nicht ab. Unbehaglich rutschte Elsbeth mit dem Hintern nach hinten, bis sie einen Pfahl spürte, an den sie den Rücken anlehnen konnte. »Gute Gelegenheit für dich, mal wieder die Mutter zu spielen, was?«
    »Was meinst du? Immerhin bin ich ihre Amme!« Ohne Grund meinte Elsbeth sich rechtfertigen zu müssen.
    »Du weißt genau, dass Carlotta längst aus dem Alter raus ist, noch an der Brust zu liegen. Seit vier Wochen läuft sie schon.«
    »Wenn es dir nicht passt, schau nicht hin. Magdalena hat nichts dagegen. Immerhin ist sie die Mutter.« Elsbeths Erwiderung fiel patziger aus, als sie beabsichtigt hatte. Schon ärgerte sie sich, der Alten von neuem auf den Leim gegangen zu sein.
    »Gut, dass du es selbst sagst: Magdalena ist die Mutter und nicht du. Du bist nur die Amme. Wäre Magdalena damals nach der Geburt nicht an diesem heftigen Fieber

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