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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wandte er sich um und rannte davon, in die karge Ebene hinein, die sich auch südlich des Lagers noch einige Meilen weit erstreckte. Magdalena schaute ihm gebannt nach. Ein merkwürdiger Laut lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zurück auf den Feldscher. Über sein Gesicht lief ein Ausdruck von Ekel. Zum ersten Mal seit Wochen musterte sie ihn genauer. Wie hatte sie die Veränderungen so lange nicht wahrhaben wollen? Von seiner ehemals so imposanten Gestalt war kaum etwas geblieben. Nach wie vor hielt er zwar an den täglichen Ritualen des Bart- und Haareschneidens und des Waschens fest. Seine Schultern waren allerdings weit nach vorn gesackt, der Rücken wirkte bucklig. Der ohnehin recht kurze, breite Hals versank zwischen den Schultern, so dass der schwere Kopf nicht auf dem Nacken, sondern direkt auf dem Leib zu ruhen kam. Unstet wanderten die wasserblauen Augen hin und her. Die kugeligen Augäpfel drückten sich aus dem rotgefärbten Gesicht und schimmerten gelblich trüb. Mehrere Adern darin waren aufgeplatzt. Durch die hängende Unterlippe verstärkte sich der vermeintlich dümmliche Gesichtsausdruck, der seinen geistigen Fähigkeiten Hohn sprach. Sacht berührte sie ihn am Arm. Er zuckte nicht einmal zusammen. Da wusste sie, dass er ihr nicht weiterhelfen würde. Sie musste allein entscheiden, wie es mit Eric weitergehen sollte.
    Wieder tastete sie mit den Fingern nach dem Bernstein, wieder griff sie ins Leere. Auch dieser Beistand fehlte. Ganz allein musste sie sich dem Schicksal stellen und hoffen, dass sich wenigstens für Carlotta alles zum Guten wendete.
    6
    Unter der erbarmungslosen Junisonne rannen die Tage dahin wie die Schweißperlen von den Schläfen. Am liebsten hätte Magdalena Tag und Nacht bei Eric gewacht, um sicherzugehen, dass ihn niemand erkannte. Mit Meister Johann und Rupprecht war sie sich einig, dass keiner erfahren sollte, wer als vermeintlich dritter Meuchelmörder in Meister Johanns Zelt auf die Hinrichtung wartete. Nach wie vor lag Eric reglos auf der Matte. Zwar war das Fieber gesunken, dennoch deutete nichts darauf hin, dass der Genesungsprozess voranschritt. Außer ihm aber gab es noch weitere Patienten, um die Magdalena sich kümmern musste. Also scheuchte der Feldscher sie immer wieder fort.
    »Die Hitze bringt mich noch um.« Theatralisch wischte Elsbeth sich über die Stirn, als sie am frühen Morgen unter die Plane ihres gemeinsamen Zeltes kroch. »Nicht einmal nachts gibt es Abkühlung.«
    »Vielleicht solltest du die Nächte nicht drüben bei den feiernden Offizieren verbringen. Mit all der Musik, dem Tanzen und Tändeln heizen die dir wohl zu kräftig ein. Wenn du da nicht mehr hingehst, findest du nachts bestimmt mehr Erfrischung.« Magdalena war damit beschäftigt, Carlotta in frische Leintücher zu wickeln. Obwohl sie die so dünn wie möglich um den kleinen Hintern schlug, waren sie der Kleinen lästig. Sie zerrte mit ihren Händchen daran, bis sich die Tücher lösten. Vergnügt gluckste sie, während Magdalena seufzend von vorn anfing.
    »Du ärgerst dich doch nur, dass du neulich diesen feschen Kommandantensohn hast abblitzen lassen. An deiner Stelle würde ich mich auch in den Hintern treten: Immerhin sieht der Kerl nicht nur akzeptabel aus, sondern wohnt sogar noch oben in der Stadt in einem kühlen Haus. Statt hier unten weiter in der prallen Sonne bleiben zu müssen, könntest du es dir oben bei ihm gutgehen lassen. Einmal am Tag die Beine dafür breit zu machen, sollte dir das schon wert sein.« Kopfschüttelnd übernahm Elsbeth das Wickeln und bewies dabei weitaus mehr Geschick. Binnen kürzester Zeit war es vollbracht.
    »Vielleicht sollte ich mal zu dem Burschen gehen«, sinnierte Elsbeth laut. »Kann doch sein, dass ich ihm auch gefalle. Pass doch heute mal selbst auf die Kleine auf.« Sie erhob sich und trat zu der Kiste, in der sie neben Leintüchern auch ein Stück Seife und eine kleine Phiole Rosenwasser aufbewahrten. Vergnügt summte sie ein Lied vor sich hin und machte sich für ihr Vorhaben zurecht. Ausgiebig bürstete sie ihr langes blondes Haar und betrachtete das Ergebnis in einer Spiegelscherbe.
    »Viel Glück!« Magdalena schmunzelte über den Eifer der Cousine. Sollte sie doch ruhig mit dem Kommandantensprössling anbandeln. Ihr sollte es recht sein. Außerdem würde sie Carlotta heute gerne mit zu Meister Johann nehmen. Das lieferte ihr einen willkommenen Vorwand, die Wache bei Eric allein zu übernehmen. Mit dem Kind zwischen den Beinen konnte

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