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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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eine Haarsträhne aus der Stirn. Unter der Zeltplane staute sich die heiße Luft. Und Carlotta fuhrwerkte ununterbrochen mit ihren Fingerchen im Mund herum. Die langen Speichelfäden, die sich über das Kinn zogen und kleine Schmutzschlieren hinterließen, verrieten, dass sie zahnte. Sie begann zu quengeln und riss an Magdalenas Haaren. Ungeduldig löste sie sich daraus.
    »Hier, nimm das«, versuchte sie die Kleine mit einer getrockneten Veilchenwurzel abzulenken und zeigte ihr, wie sie auf das weißliche Holz beißen konnte. Mit großen blauen Augen fasste Carlotta gierig danach. Eine Weile beschäftigte sie sich mit der Wurzel, steckte sie in den Mund und kaute darauf herum. Plötzlich aber hörte sie auf und hob den Kopf. Aufgeregt zeigten ihre feuchten Spuckefinger zur Zeltplane.
    Frauenstimmen kamen näher, Elsbeth und Roswitha rückten an. Der Plan ihrer Cousine, sich beim Kommandantensohn anzubiedern, war also gescheitert. Vermutlich wollte sie Carlotta zum Stillen abholen, um sich von der Niederlage abzulenken. Roswitha folgte ihr, um das zu verhindern.
    Um nichts in der Welt durften die beiden entdecken, welcher Patient hier im Zelt lag. Rasch sprang Magdalena auf und trat nach draußen. Hinter sich verschloss sie die Leinwand mit beiden Händen. »Carlotta hat noch keinen Hunger«, sagte sie eine Spur zu rasch. »Ich bringe sie später, wenn Meister Johann mich bei dem Verletzten ablöst.«
    »Was?« Abrupt blieb Elsbeth stehen, stemmte die Hände in die Hüften und schenkte ihr ein falsches Lächeln. Die gute Laune vom Vormittag war verflogen. »Denkst du etwa, ich will dir deine Tochter wegnehmen? Wahrscheinlich hat dich die Alte hier aufgehetzt. Bring mir Carlotta, wann immer du willst. Später, nachts, morgen, es ist mir gleich.« Ihr rechter Arm vollführte einen weiten Bogen durch die Luft, ihre Stimme klang mit jeder Silbe schriller. »Um das ein für alle Mal klarzustellen: Ich will mich wahrlich nicht ständig mit dem Balg herumschlagen. Es gibt Besseres zu tun, als mir von deinem Bastard die Brust auszuckeln zu lassen und seine vollgeschissenen Windeln zu wechseln.«
    »Beruhigend, dass du endlich Vernunft annimmst.« Roswitha verschränkte die kurzen Arme vor der Brust und musterte Elsbeth von oben bis unten.
    Im selben Moment hob Carlotta drinnen im Zelt zu brüllen an. Erschrocken sahen sich die Frauen an, dann stürzten sie alle drei gleichzeitig ins Innere. Unter der Plane war es nahezu taghell. Carlotta hockte weinend auf dem Boden vor Eric, der leise stöhnte. Dennoch galt Magdalenas erste Sorge dem Kind. Zunächst war schwer auszumachen, weshalb es schrie. Behutsam hob sie die Kleine auf und redete tröstend auf sie ein. Dabei streichelte sie ihr zärtlich über Kopf und Wangen. Allmählich beruhigte sich Carlotta. Unterdessen besah sich die alte Hebamme seine Händchen. »Hat sich wohl auf die Finger gebissen. Hast du ihr die Veilchenwurzel zum Kauen gegeben?«
    Magdalena nickte und drückte sich den zitternden kleinen Leib enger gegen die Brust. Langsam wandte sie sich um. Dabei stieß sie gegen Elsbeth, die als Einzige nicht auf Carlotta achtete. Schreckensbleich starrte sie auf Eric.
    »Er lebt!«, stieß sie hervor. »Dann stimmt also doch, was gemunkelt wird: Der dritte Mörder ist Eric! Bist du wahnsinnig, Magdalena? Hast du wirklich nichts Besseres zu tun, als Tag und Nacht bei diesem Halunken zu hocken? Damit bringst du uns alle noch an den Galgen!«
    Langsam trat sie ein paar Schritte zurück und sah abwechselnd zwischen Eric, Magdalena und Roswitha hin und her. Dann lachte sie auf. »Jetzt wird mir alles klar! Du«, ihr Zeigefinger schnellte Richtung Roswitha, »warst natürlich die ganze Zeit eingeweiht. Kein Wunder, dass Rupprecht und Meister Johann so ungern Krankenwache schieben. Wer will schon neben einem Verräter sitzen und warten, dass er endlich die Augen aufschlägt, noch dazu, wenn Magdalena sich vor Sehnsucht verzehrt. So ein Pech, dass ich euch auf die Schliche gekommen bin. Ihr solltet euch was einfallen lassen, damit ich niemandem erzähle, wer hier von euch gesund gepflegt wird.«
    Unsanft riss sie Carlotta aus Magdalenas Armen. Die wollte sich zwar wehren, merkte aber schnell, dass sie dem Kind damit weh tun würde. Roswitha schüttelte energisch den Kopf.
    »Gib dir keine Mühe.« Magdalena bemühte sich um einen gelassenen Ton, wenn sie auch innerlich vor Wut bebte. »Seume weiß es natürlich. Immerhin hat er Eric zu uns bringen lassen.«
    »Aber weiß er

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