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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zwei kleinen Kindern hat eben nicht viel zu lachen, vor allem, wenn sie ein Trossweib ist so wie wir. Ohne männlichen Beistand sind wir doch jeder Willkür ausgeliefert. Nur wer so gescheit ist wie du, kann sich als Frau allein durchschlagen.« Sie warf Magdalena einen bewundernden Blick zu.
    »Du würdest das auch schaffen.« Magdalena versetzte ihr einen aufmunternden Schubs. »Sieh dir Roswitha und die anderen Hebammen an, auch so manche Marketenderin kommt ganz gut allein klar. Nicht jede endet gleich im Hureneck, wenn ihr Mann ins Gras beißt oder sie gar nicht erst einen abkriegt. Und selbst die Trosshuren bejammern nicht tagaus, tagein ihr Schicksal. Du kannst dich von deiner Schwester lösen und allein zurechtkommen, auch ohne Mann. Das Zeug, was Rechtes aus dir zu machen, hast du allemal. Frag doch Roswitha oder eine der anderen Wehmütter, ob sie nicht eine Hilfe gebrauchen könnten, oder Lene, die Marketenderin. Lang will die mit ihrem Kram wohl nicht mehr über Land ziehen, wie ich gehört habe. Eine gute Gelegenheit, bei ihr einzusteigen.«
    »Ich weiß nicht.« Mit einem Mal hatte Hannas lustiges Gesicht alle Fröhlichkeit verloren.
    »Du musst es natürlich wollen.« Magdalena wurde ungeduldig. Es war doch immer das Gleiche mit Frauen wie Hanna: Einerseits neideten sie ihr die Unabhängigkeit, andererseits waren sie zu bequem, selbst etwas zu tun, um ebenfalls so zu leben. »Einfach ist unser Leben natürlich auch nicht immer. Oft fragt man sich, ob es das alles wert ist oder ob so ein Leben an der Seite eines besoffenen Mannes nicht doch der einfachere Weg wäre.«
    »Im Ernst?« Verblüfft riss Hanna die Augen auf. Inzwischen aber war Magdalena die Lust vergangen, das immer gleiche Gespräch fortzusetzen. Bevor Hanna wieder den üblichen Sermon über ihre ausweglose Lage als unverheiratete Frau anstimmen konnte, bückte sie sich lieber über den Korb und begutachtete die Schätze. Hannas Schwester zollte ihr aufrichtigen Dank, dass sie ihren versoffenen Mann wieder einmal vor dem vorzeitigen Ableben bewahrt hatte: ein Topf mit Brei, ein großer Kanten Brot sowie ein Stück Käse – das versprach ein ordentliches Mahl. Aber da Magdalena wusste, welches Opfer das für die Kinder bedeutete, sagte sie energisch: »Sag deiner Schwester, dass sie mir schon oft genug bewiesen hat, wie viel ihr meine Hilfe bedeutet. Ich kann das nicht annehmen.«
    Hanna nickte, sichtlich froh, dass Magdalena nicht weiter darauf beharrte, sie zur Eigenständigkeit zu ermahnen. »Kommst du heute Abend mal wieder bei uns vorbei?«, fragte sie stattdessen. »Meine Schwester wird sich freuen, dich bei uns zu sehen. Bring auch Carlotta mit, dann kann sie mit meiner Nichte spielen. Du willst dich doch nicht ewig hier im Zelt verkriechen und diesen Mörder bewachen. Der alte Josef wird mit seiner Flöte kommen. Bestimmt wird es lustig, wenn wir dazu tanzen.«
    Bei dem Gedanken leuchteten Hannas Augen wieder auf, und sie wiegte die Hüften in Vorfreude auf die Musik. Eine Strähne ihres dicken, braunen Haars ragte lustig in die Stirn. Unbekümmert pustete sie sie weg. Hanna war recht ansehnlich. Nicht zum ersten Mal wunderte sich Magdalena, warum sie nicht längst einen hartnäckigen Verehrer hatte. Selbst wenn die vom Alter in Frage kommenden Männer im Tross allmählich rar wurden, hatte eine Frau wie Hanna keine schlechten Chancen. Eine Andeutung Roswithas fiel ihr ein: Im letzten Frühjahr hatte Hanna sie um Hilfe gebeten, etwas Ungewolltes loszuwerden. Einen Trunk aus Mutterkorn oder Ähnliches hatte sie haben wollen. »Der alte Lump von Schwager hat wohl nicht aufgepasst«, hatte die Hebamme geknurrt und ihr das Gewünschte verschafft. Offenbar kroch also der von Magdalena bereits schon öfter Gerettete nicht nur zu seiner Frau unter die Decke. Hanna schien es zu gefallen, zwar einerseits das Vergnügen zu genießen, andererseits aber doch nicht die Gebundenheit einer Ehefrau ertragen zu müssen. Kein Wunder, dass sie sich schwertat, sich aus diesem Nest zu befreien.
    »Mal sehen, ob Rupprecht rechtzeitig kommt, mich hier abzulösen«, sagte Magdalena und war froh, dass Hanna sich mit der vagen Antwort zufriedengab. Nachdenklich blickte sie ihr nach, wie sie im Trubel des Lagers verschwand, froh, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Ihre Finger tasteten über das Mieder. Wie so oft in den letzten Tagen fiel ihr erst im letzten Moment wieder ein, dass der Bernstein verschwunden war. Vielleicht kam sie nachher endlich dazu,

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