Die Wundärztin
»Am Ende geht der Sauhund schon gleich an dem Trank zugrunde, so schwer verwundet, wie der sein soll. Seumes Leute sind nicht eben zimperlich mit ihm umgegangen, als sie ihn aufgegriffen haben.«
»Den ganzen Bauch haben sie ihm aufgeschlitzt.« Schadenfroh rieb sich der erste die Hände. »Da wäre ich gern dabei gewesen.«
»Besser, dass du es nicht warst.« Der zweite klopfte ihm auf die Schulter. »Wahrscheinlich hättest du ihm gleich den Garaus gemacht, und nichts wäre es mit der schönen Hinrichtung. So werden wir bald noch ein ordentliches Spektakel erleben. Seume versteht es, dem Henker Lust zu machen, die richtigen Werkzeuge einzusetzen.«
»Vorher aber ist erst einmal die Kunst von Meister Johann gefragt.«
»Da kannst du beruhigt sein: Selbst wenn er sturzbesoffen ist, erweckt der Tote zum Leben.«
»Und seine kleine rothaarige Gehilfin erst! Wenn du die im Delirium vor dir hast, wirst du schon vor lauter Lust auf ein solches Weib gesund!«
Amüsiert schlugen sie einander auf die Schultern. Magdalena konnte sich kaum zurückhalten, zu den beiden zu stürzen und sie zur Rede zu stellen. Maulhelden wie diese kuschten in der Regel sofort vor ihr. Dabei ärgerte sie sich weniger darüber, wie sie über sie herzogen, sondern über die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass sie Eric für den Schurken hielten! Dabei war Seume derjenige, der alle im Lager schamlos hinterging. Fest an die hölzerne Seitenwand des Planwagens gepresst, atmete sie trotz ihrer Wut so flach wie möglich. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis die beiden Wachleute vorüber waren und ihre Umrisse von den Schatten der Zelte aufgesogen wurden. Gerade wollte sie weiterschleichen, als ein Fauchen sie abermals zusammenfahren ließ. Wie ein Pfeil schoss eine schwarze Katze zwischen den Wagenachsen hervor und huschte geräuschlos zwischen ihren Beinen ins Zwielicht davon. Eine zweite folgte ihr dicht auf den Fersen und streifte mit steil aufragendem Schwanz Magdalenas nackte Wade. Die unerwartete Berührung machte sie schaudern. Die Tiere waren von links gekommen und nach rechts davongerannt. Ein schlechtes Omen, genau wie damals in Freiburg, als Eric spurlos verschwunden war. Entsetzt schlug sie ein Kreuz vor der Brust. Vorsichtig nach allen Seiten spähend, schob sie sich aus dem Schutz des Wagens.
»Wusste ich doch, dass ich dich hier finde!«
Sie hielt inne. Das durfte nicht wahr sein! So schnell konnte Seume ihr nicht gefolgt sein. Unwillkürlich griffen ihre Finger an den Hals, suchten das Band mit dem hilfreichen Stein. Vergebens. Erschöpft ließ sie die Hand wieder sinken. Es gab kein Entrinnen.
»Du wirst doch nicht davonrennen wollen?«
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Seumes Bass dröhnte nah an ihren Ohren. Etwas Weiches schob sich ihr in die Seite, vermutlich sein praller Bauch. Schon umklammerten seine fleischigen Finger ihren Leib. Gänsehaut überlief sie. Seume ließ ihr keine Zeit, das Unglück lange zu beklagen. Heftig drängte er sich an sie. Sein alkoholgeschwängerter Atem schlug ihr ins Gesicht. Angewidert drehte sie den Kopf weg. Seine riesigen Hände packten sie an den Schultern und hielten sie fest. »Wo kommst du jetzt her? Täusch ich mich, oder warst du vorhin noch drüben, ganz nah bei meinem Zelt?«
Vorwitzig stieß sein wohlgenährter Wams gegen ihre Brust. »Lasst mich los!« Durch eine abrupte Drehung gelang es ihr, ihn abzuschütteln. Rasch schnellte seine zweite Hand hoch und griff ihr harsch an den Nacken. Wie ein kleines Kätzchen im Maul seiner Mutter zappelte sie in seiner Hand.
»Was hattest du da zu suchen?« Unvermittelt lockerte er seine Finger. Die unerwartete Freiheit brachte sie ins Schwanken, ein neuerlicher Vorwand für ihn, sie an den Armen zu fassen.
»Was wollt Ihr von mir?« Sie versuchte, ihn so unbekümmert wie möglich anzusehen. Seine Augen schimmerten glasig im Mondlicht. Als er schnaufte, roch sie abermals seinen weinsauren Atem. Den Mund zu einem frechen Grinsen verzogen, geriet er plötzlich ins Torkeln und stieß sie gegen den Wagen. Wie zufällig stützte er sich mit dem einen Arm an der Wand des Planwagens ab und presste die andere gegen Magdalenas Busen. Sie wand sich, konnte sich aber nicht befreien.
»Ein so schöner Abend, wie gemacht für ein Stelldichein. Ist doch schade für ein hübsches Ding wie dich, den allein zu verbringen. Und dann auch noch beim Lauschen! So was tut man doch nicht. Ts, ts, ts.« Er lachte hämisch auf. »Da weiß ich doch
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