Die Wundärztin
behaupten, daran wären allein die Pappenheimerschen schuld. Dass der hinterhältige Mord an unseren Söldnern eine willkommene Gelegenheit für ihn war, endlich Rache zu nehmen, liegt also auf der Hand. Andererseits wird seine Hinrichtung für diejenigen, die an seiner Seite gegen uns Geschäfte machen, eine deutliche Warnung sein: Ihnen wird klar, dass sie besser damit aufhören, uns übers Ohr zu hauen. Und genau darum geht es mir bei dem Spektakel!«
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Der erste Mann klang nicht überzeugt. »Ich verstehe, dass du für Grohnerts Komplizen ein Zeichen setzen willst, gerade, da wir nicht wissen, mit wem er hier im Lager unter einer Decke steckt. Trotzdem war es falsch, Grohnert erst noch aufpäppeln zu lassen. Wer sagt dir, dass er im Fieberwahn nicht was ausplaudert? Außerdem besteht die Gefahr, dass er abhaut, sobald er laufen kann. Dann wird es nichts mehr mit dem schön inszenierten Aufknüpfen.«
»Wie soll er abhauen, solange er noch nicht bei Bewusstsein ist? Also wird er auch nichts ausplaudern. Und selbst wenn: Wer soll ihm glauben? Öffentlich hängen aber muss er. Nur dann wissen seine Kumpane, dass er wirklich tot ist. Wirst schon sehen, wie schnell die angekrochen kommen, um künftig mit uns die geheimen Nachschublieferungen zu organisieren. Damit erschließen wir uns neue Quellen und haben den Handel im Lager künftig ganz allein im Griff, ohne lästige Konkurrenz, die noch einen auf Wohltäter macht. Obendrein kriegen die anderen Schurken gleich mit, dass mit uns nicht zu spaßen ist. Wer nicht aufpasst, baumelt schneller am Galgen, als er bis drei zählen kann.«
Magdalena hatte genug gehört. Schon lange ahnte sie, dass Seume mit seinem Tun unlautere Absichten verfolgte. Eric schien also seit längerem mit Heer und Tross durch seine Geschäfte in Kontakt zu stehen. Warum hatte er sich nicht bei ihr gemeldet? Je länger sie darüber grübelte, desto unwohler fühlte sie sich. Sie sollte endlich fort, hinüber zu Meister Johanns Zelt. Vielleicht wachte Eric endlich auf, und sie konnte ihn zur Rede stellen. Oder Roswitha war da. Die kluge Hebamme wusste sicherlich Rat.
Vorsichtig wagte sie sich aus dem Schatten, um hinter das nächste Zelt zu schlüpfen. Fast hatte sie es erreicht, da hörte sie hinter sich Stimmen. Ein Blick über die Schulter bestätigte ihre Befürchtung: Hagen Seume war vor sein Zelt getreten, um sich zu erleichtern. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Seume noch einen quälend langen Moment draußen verharrte und in die Nacht hinaussah. Dabei blickte er auch in ihre Richtung. Im fahlen Mondlicht blitzte das Weiß seiner Augäpfel auf. Hastig zog sie die Schultern ein und wagte kaum weiterzuatmen. Hatte er sie entdeckt? Waren sich ihre Blicke nicht gerade begegnet? Er schüttelte sich, sah noch einmal genau zu ihr herüber, als wolle er sich vergewissern, dann wandte er sich ab und ging ins Zelt zurück.
10
Ohne sich noch einmal umzudrehen, eilte Magdalena durch die Nacht. Weitläufig mied sie die Ecken, an denen weiterhin eifrig getrunken und gespielt wurde, als ginge die laue Sommernacht nie zu Ende. In den Gassen am äußersten Rand des Lagers hingegen herrschte gespenstische Stille. Dort konnte sie nicht nur den patrouillierenden Wachen besser aus dem Weg gehen, sondern auch den Betrunkenen, die mit ausgestreckten Armen und verzweifeltem Blick torkelnd den Weg zu ihrem Schlafplatz suchten. Endlich erblickte Magdalena Meister Johanns Wagen. Wenige Schritte waren noch zurückzulegen, dann war sie am Ziel. Unter einer halboffenen Plane schnarchte es laut, aus einer anderen Ecke drangen Gekicher und lustvolles Gestöhne herüber. Ein Kind weinte, eine Frau flüsterte so laut, dass jedes Wort gut zu verstehen war. Das Mondlicht tauchte die Wagen und Zelte in ein eintöniges Grau.
Plötzlich erklangen leise Stimmen, feste Männerschritte stapften über den Lehmboden. Gerade noch rechtzeitig wich Magdalena um die Ecke eines Planwagens. Zwei Wachposten staksten vorbei, die Musketen geschultert, Pallasch und Pistolen griffbereit am Gürtel. Aufgeregt redete der eine auf seinen Kameraden ein. Der lauschte ihm eifrig und nickte gelegentlich, dass die Federn am Hut wippten. »Hoffentlich haben Meister Johann und seine Gehilfen den Meuchelmörder bald so weit, dass er auf den Richtplatz kommt. Ich freue mich schon auf den Moment, in dem ihm der schwedische Trank kredenzt wird.«
»Wenn wir Pech haben, wird das ein kurzer Spaß«, erwiderte der zweite.
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