Die Wundärztin
eindringlich, aber keineswegs erzürnt an, bis er nachgab und tatsächlich die Augen öffnete.
»Wusste ich es doch«, murmelte sie und ließ ihn wieder los. »Mir kannst du nichts vormachen, mein Lieber! Dazu habe ich schon viel zu viele so wie dich da liegen sehen.« Sie versetzte ihm einen leichten Nasenstüber mit dem feuchten Tuch, wandte sich dann aber sofort Magdalena zu. Eric drehte ebenfalls den Kopf zur Seite, um sie anzusehen. Nichts in seinem Gesicht verriet, dass ihm die Bloßstellung unangenehm war.
»Und jetzt zu dir, mein Täubchen.« Roswithas Körper schaukelte bedenklich, als sie im Sitzen näher heranrutschte, ihre gesunde Hand nahm und sie sanft drückte. »Du musst besser auf dich aufpassen.«
Magdalena senkte die Augen. »Lass uns ein paar Schritte nach draußen gehen«, schlug sie vor.
Auf der dem Zelt abgewandten Seite von Meister Johanns Wagen fanden sie ausreichend Schatten. Dort waren sie außerdem weit genug von Eric entfernt, damit er sie nicht belauschen konnte. Gleichzeitig behielten sie die nähere Umgebung im Blick, um jeden rechtzeitig zu entdecken, der sich näherte.
Gerade wollte Magdalena etwas sagen, da hüpfte ein kleines Mädchen heran und reckte ihr neugierig das helle Gesichtchen mit den blonden Zöpfen entgegen: »Was ist denn da passiert? Jetzt hat sich die rote Magdalena selbst verletzt! Kannst du den anderen nicht mehr helfen?«
»Das geht schon wieder. Ich bin nur auf die Hand gefallen. Zum Glück hat Meister Johann gleich seine Wundersalbe daauf gestrichen, so dass sie bald wieder heil ist.« Mit der rechten Hand strich sie dem Mädchen über den Kopf.
»Hoffentlich stimmt das. Sonst haben wir niemanden, der uns gesund macht, wenn wir krank sind. Meine Mama sagt nämlich immer, du bist die Beste. Und das stimmt wirklich, das weiß ich!« Fest schmiegte sich die Kleine an sie und machte keine Anstalten, ihr jemals wieder von der Seite zu weichen.
»Lauf geschwind zu deiner Mutter«, krächzte Roswitha unterdessen. »Sag ihr, dass sie der Magdalena und mir nachher was zum Essen bringen soll, sonst fallen wir um vor Hunger. Dann kann euch erst recht keiner mehr gesund machen.«
»Mach ich.« Stolz, einen wichtigen Auftrag zu haben, sprang die Kleine davon, stieß jedoch bereits auf Höhe des nächsten Zeltes mit einer Frau mittleren Alters zusammen.
»Pass doch auf, freche Göre!« Sofort verpasste die Frau dem Kind eine Ohrfeige. Die schien das gewohnt zu sein. Weder zuckte sie, noch schrie sie auf, sondern rannte einfach davon. Eilig lief auch die Frau zu ihnen weiter.
»Roswitha, endlich!«, rief sie von weitem. »Bei meiner Marie ist es so weit. Komm gleich mit, nicht dass wieder was schiefgeht. Du weißt, wie sehr sie sich fürchtet. Beim ersten Mal ist schließlich alles schlimm ausgegangen. Das darf nicht noch mal passieren.«
»Wird schon nicht. Fürchten braucht sich keine Frau. Seit Menschengedenken bringen wir Kinder zur Welt. Wenn du noch hierherkommen kannst, um mich zu rufen, bleibt genug Zeit, bevor ich mich auf den Weg zu deiner Marie mache. Reißt schon mal Leintücher zurecht und stellt einen Kessel Wasser aufs Feuer. Ich bin bald bei euch.« Energisch schob sie die Frau fort. »Zwei Sätze aber muss ich zuerst mit Magdalena reden, ohne dass du uns zuhörst, verstanden?«
Unwillig gab die Frau nach. Magdalena wartete, bis sie weit genug weg war, dann fragte sie: »Weißt du, wo Meister Johann steckt?«
»Sag nur, du machst dir Sorgen um ihn?« Das Krächzen der Hebamme verwandelte sich in ein heiseres Lachen. »Dabei solltest du ihn doch kennen, mein Täubchen! Falls du fürchtest, er hätte was Törichtes im Sinn und würde sich auf Seume stürzen, kann ich dich beruhigen. Nach der Geschichte damals mit seiner Anna – Gott sei ihrer armen Seele gnädig – hat er viel dazugelernt. Das heißt aber nicht, dass er seine Wut gegen Seume je begraben wird.«
»Und du?«
»Was?« Forschend sah Roswitha ihr in die Augen, dann begriff sie. »Er hat es dir also erzählt. Ja, Anna war meine Schwester. Und glaub mir, ich würde Seume nach wie vor am liebsten den Hals umdrehen, wann immer ich ihn sehe. Andererseits weiß ich, dass das Anna nicht mehr lebendig macht. Aber ich müsste meinen Kopf dafür hergeben und kann keine Kinder mehr auf die Welt holen. Also lass ich es schweren Herzens bleiben.« Sie atmete keuchend, dann hob sie den rechten Zeigefinger und sah sie aus ihren wässrigen Augen starr an. »Eines Tages wird es so weit sein, dass
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