Die Wundärztin
Einmischung in seine Angelegenheiten nicht zustand. Wie so oft beschlich sie das Gefühl, dass er ihr trotz aller Nähe fremd blieb. Weder wusste sie, wohin er jetzt schlich, noch, was er außer Spielen und Trinken noch trieb, wenn er gerade keine Wunden zu kurieren hatte. Bekümmert kletterte sie nach nebenan in das Zelt.
Die wohltuende Wirkung der Salbe ließ bereits nach. Zusammen mit den Gedanken um den verlorenen Bernstein, Meister Johann, den unberechenbaren Hagen Seume sowie die Sorge um Erics Rolle in alledem kehrten die Schmerzen zurück. Die restliche Nacht war eine Tortur, an Schlaf kaum zu denken. Unruhig wälzte sie sich auf der Matte, versuchte, das verletzte Handgelenk nicht mit ihrem Gewicht zu belasten. Immer wieder stöhnte sie auf, wusste allerdings selbst nicht mehr zu unterscheiden, ob vor Schmerz, Wut oder Enttäuschung. Schwerfällig drehte sie sich auf die rechte Seite und ließ ihren Blick durch das Zelt wandern.
Rupprechts schmächtiger Körper zeichnete sich dunkel auf der Matte gegenüber ab. Sein gleichmäßiger Atem verriet, dass er tief schlief. Sie sah weiter zu Eric. Lang ausgestreckt lag er auf dem Rücken, den Mund halbgeöffnet, stieß er schnarchende Laute aus. Ihr war, als bessere sich sein Zustand mit jedem Ton, den er von sich gab. Wann endlich öffnete er die Augen und beantwortete ihre Fragen?
Seumes böses Lachen hallte in ihrem Innern. Ein saurer Geschmack füllte ihren Mund. Die Augen wurden feucht. Lautlos begann sie zu weinen. Schwer atmend rollte sie sich auf den Rücken und legte die bandagierte Hand auf die Stirn. Zum Glück war die linke Hand verletzt. Damit war sie die nächsten Tage nicht völlig hilflos. Um sich abzulenken, richtete sie ihre Gedanken abermals auf den betörenden Geruch der Salbe, der auch durch das Leinen hindurch zu riechen war. Auf einmal meinte sie einen Blick zu spüren. Vorsichtig drehte sie sich um. Eric war aufgewacht und wandte ihr das Gesicht zu. Das Weiß seiner Augäpfel leuchtete im Dunkeln. Wahrscheinlich beobachtete er sie schon eine ganze Weile. Mühevoll robbte sie näher zu ihm. Sein Atem wurde lauter, bald spürte sie den kühlen Hauch auf ihrem Gesicht. Ihre Brust stieß sacht gegen seinen Arm. Schon klammerten sich die Finger ihrer rechten Hand um die seinen. Er erwiderte den Druck. Im Dunkeln versanken ihre Augen ineinander. Fast wie in Freiburg, durchzuckte es sie. Plötzlich aber war da wieder Seumes höhnendes Lachen, seine Behauptung, Eric sei seit langem schon in der Nähe gewesen, habe dunkle Geschäfte mit dem Nachschub des Regiments getrieben. Prüfend musterte sie ihn. Sein Gesicht wirkte unschuldig, dahinter aber verbarg sich eine Lüge. Abrupt ließ sie seine Hand los, rollte sich auf ihre Matte zurück und kehrte Eric den Rücken.
»Magdalena?«
Überrascht fuhr sie herum. Das war doch Roswithas Stimme, die nach ihr rief. Offenbar war sie über ihren Grübeleien eingeschlafen. Das gelbliche Licht und die Hitze unter der Plane verrieten, dass die Sonne hoch am Himmel stand. Rupprecht war verschwunden, dafür kauerte die alte Hebamme neben Eric und benetzte ihm mit einem feuchten Tuch die Lippen. Magdalena verfolgte jeden Handgriff. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, wie Roswitha als junge Frau ausgesehen haben mochte oder auch ihre Schwester, in die sich Meister Johann verliebt hatte. So sehr, dass er sich danach zu keiner anderen mehr hingezogen fühlte. Sie hatte überhaupt noch nie eine Frau gesehen, für die sich Meister Johann interessiert hätte.
»Was war letzte Nacht mit Seume? Deine Hand wurde ja versorgt, aber brauchst du noch was für andere Geschichten?«
Knapp wies Roswitha mit dem Kinn auf Magdalenas Unterleib und nestelte in den Tiefen ihrer Röcke herum, um eine ihrer Wunderpasten hervorzukramen. »Hast du dich da unten gut gewaschen?«
»Rupprecht ist rechtzeitig gekommen.«
»Gut«, war alles, was die Alte dazu sagte. Dafür, dass ihre eigene Schwester ein Opfer von Seumes Gier geworden war, wirkte sie sehr beherrscht. Eine Weile kümmerte sie sich weiter um Eric, untersuchte gründlich den Zustand der Verbände, schob seine Augenlider mit den Fingerkuppen auf. Magdalena hielt den Atem an. Eine so erfahrene Frau würde er nicht täuschen können. Roswitha hatte es nicht eilig. Ohne eine Miene zu verziehen, betrachtete sie ihn lange. Das leichte Zucken in seinen Mundwinkeln verriet ihn.
Kräftig ohrfeigte sie ihn auf beide Wangen, nahm sein Gesicht in die Hände und sah ihn
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