Die Wundärztin
hin, als wüsste sie eine Menge über das eben Geschehene zu erzählen. Meister Johann fasste sich als Erster.
»Morgen früh – ihr wisst, was das bedeutet«, sagte er zu Rupprecht und Magdalena. Elsbeth, die sich gerade unbemerkt davonschleichen wollte, rief er schroff zu: »He! Hiergeblieben!« Er deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf sie. »Du bleibst mit der Kleinen drüben in eurem Weiberzelt. Ich brauche Magdalena die ganze Nacht bei dem Verletzten. Das Kind stört dabei nur. Bis der Bursche da drinnen bei Morgengrauen den Weg zum Galgen auf eigenen Beinen schaffen kann, müssen wir noch wahre Wunder vollbringen.«
Elsbeth zuckte mit den Schultern. Sie hatte wohl Besseres vor, als seiner Anweisung zu gehorchen. Also nahm Roswitha das Kind auf den Arm und zupfte sie am Ärmel. »Hast du nicht verstanden?«, krächzte sie. »Lass uns gehen. Ich bleibe heute Nacht bei dir, damit dir die Zeit mit der Kleinen nicht lang wird und du am Ende wieder auf törichte Ideen verfällst.« Vielsagend zwinkerte sie Magdalena zu. »Bis du Seume wieder unter deine Röcke lässt, solltest du ohnehin einige Zeit verstreichen lassen. Er kann sehr nachtragend sein.«
»Halt dein loses Maul, du stinkende Vettel!«, brauste Elsbeth auf und hob die Hand, um ihr eine Maulschelle zu verpassen. Damit aber konnte sie die Alte nicht im Geringsten einschüchtern. Blitzschnell griff sie Elsbeths Handgelenk und zog sie mit sich fort wie ein bockiges Kind.
16
Magdalena, Meister Johann und Rupprecht sahen den beiden schweigend hinterher. Ein dumpfes Grollen kündete vom Heraufziehen eines Unwetters. Am Horizont dräuten schwere, dunkle Wolken. Eine kräftige Windböe fegte von Westen her ins Lager, durchwühlte Magdalenas Haare und bauschte ihren Rock. Schlagartig erwachte sie aus ihrer Starre. Es blieb ihnen nur diese eine Nacht, Eric zu retten.
»Nicht verzweifeln!« Meister Johann legte ihr den Arm um die Schultern. »Noch ist es nicht zu spät, noch gibt es Hoffnung.«
»Lasst uns endlich loslegen.« Aufgeregt rieb Rupprecht sich die Hände. »Je länger wir warten, desto schwieriger wird es. Seume hat seine Leute zwar wieder mitgenommen, doch wir sollten damit rechnen, dass sie im Laufe der Nacht zurückkehren.« Um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, krempelte er die Ärmel seines Hemdes auf.
»Du bist also doch mit von der Partie?« Prüfend sah Magdalena ihn an. Kaum merklich räusperte sich Meister Johann. Trotzdem konnte sie sich die nächste Frage nicht verkneifen: »Ich denke, du kannst Eric nicht ausstehen? Das hast du vorhin erst gesagt. Schon in Freiburg hast du keinen Hehl aus deiner Abneigung gemacht.«
Einen kurzen Moment hielt Rupprecht inne. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, und in seinen dunklen, tiefliegenden Augen schien es hell aufzublitzen. »Jeder kann seine Meinung ändern, meinst du nicht?«
»So ist es recht, mein Junge.« Der Feldscher legte ihm die Hand auf die Schulter. »Also los, meine Lieben. Noch bewacht niemand unseren Wagen. Auch die Kürassiere hören bald mit dem Exerzieren auf. Das aufziehende Gewitter treibt die Leute in die Wagen und Zelte. Sobald es dunkel genug ist, müssen wir Eric fortbringen. Unser Wagen steht abseits von den übrigen. Wenn wir Glück haben, wird keiner so schnell etwas merken.«
»Ich weiß auch schon, wohin wir ihn bringen können.« Rupprecht platzte schier vor Unternehmungslust. »Auf der kleinen Bergkuppe südwestlich der Stadt gibt es einen Felsvorsprung. Darunter liegt ein großer Dachsbau. Das ist genau das, was wir suchen.«
»Ich weiß, welche Höhle du meinst.« Meister Johann rieb sich nachdenklich das Kinn. »Die ist wirklich bestens geeignet: verborgen genug, damit niemand sie findet, und gleichzeitig geräumig, so dass es ein riesiger Bursche wie Eric einige Zeit darin aushält. Schließlich muss er eine ganze Weile dort bleiben, um zu Kräften zu kommen, bevor er seine Flucht fortsetzen kann.«
»Ihr redet, als wüsstet ihr schon genau, was alles zu tun ist.« Magdalena haderte noch mit sich, ob sie sich über den Eifer der beiden freuen sollte oder nicht. »Es ist noch lange nicht damit getan, Eric nur aus dem Zelt wegzubringen. Spätestens im ersten Morgengrauen kommen die Steckenknechte zurück. Bis dahin müssen wir uns etwas einfallen lassen, wie wir sein Verschwinden erklären. Euch ist hoffentlich klar, dass wir drei sonst unsere Köpfe für sein Verschwinden hinhalten.«
»Natürlich.« Rupprecht wirkte ganz ruhig. »Wenn
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