Die Wundärztin
sie Eric nicht mehr bei uns finden, baumeln wir drei schon am Strick, noch bevor die Sonne richtig aufgegangen ist.«
»Mach keine Scherze.« Deutlich war Meister Johann der Unmut anzusehen. »Magdalena hat recht: Wir sollten uns jeden Schritt genau überlegen. Überstürztes Handeln bringt nichts.«
Ein weiteres Donnergrollen rief das nahende Gewitter in Erinnerung. Die ersten Tropfen fielen. Die ausgelassene Abendstimmung im Lager fand ein abruptes Ende. Eilig räumten die Frauen Töpfe und Kisten in die Unterstände und riefen nach den Kindern, die noch in den Zeltgassen tobten. Nach und nach wurden die Feuer ausgetreten, an denen sich die Männer zum Trinken und Spielen versammelt hatten. Sosehr sie den Regen herbeigesehnt hatten, waren sie nun doch missmutig, weil sie ihre Würfelpartien abbrechen mussten. Langsam trotteten die Söldner und Trossleute in die Unterkünfte.
»Na, Meister Johann, heute Abend gar keine Lust auf eine Erfrischung?«
»Du schuldest mir noch eine Revanche für das Würfelspiel von gestern, vergiss das nicht!«
Solange immer wieder jemand an ihrem Wagen vorbeikam, konnten Magdalena, Meister Johann und Rupprecht nicht weiterreden. Hin und wieder grüßten sie oder wechselten ein paar Worte mit einem der Vorbeikommenden.
»Habt ihr drei nichts Besseres zu tun, als Löcher in die Luft zu starren? So gut wie ihr möchte ich es auch mal haben!« Ein zerlumpter Mann, deutlich gezeichnet vom Ausheben eines Grabens, ging kopfschüttelnd an ihnen vorbei. Ein zweiter, der eine Axt geschultert hatte, blieb stehen und starrte sie an. »Na, dafür dürft ihr demnächst wieder die Knochensäge herauskramen«, murmelte er und trollte sich.
Endlich waren sie wieder unter sich. Zwei Katzen jagten durch die Gassen, eine graugetigerte und eine schwarze. Kurz stockte Magdalena der Atem. Ob sie von rechts oder links ihren Weg gekreuzt hatten, wusste sie nicht mehr zu sagen. Meister Johann und Rupprecht schienen die Tiere nicht gesehen zu haben. Eine vermeintlich einträchtige Ruhe senkte sich über die Zelte. Magdalena kletterte in den Wagen hinauf, um Verbandszeug und Salben zu packen, die Eric in seinem Versteck benötigen würde.
Dicht rückte Rupprecht ihr auf die Pelle und raunte ihr zu: »Es wird dir doch was wert sein, dass ich dir helfe, Eric in Sicherheit zu bringen?«
Entsetzt fuhr sie herum. »Was willst du damit sagen?«
»Ganz ohne Gegenleistung werde ich meinen Kopf bestimmt nicht riskieren.«
Sie schnappte nach Luft. Solche Worte hatte sie noch nie von ihm gehört. Ekel überkam sie. Als sie von ihm abrücken wollte, hielt er sie fest und zischte: »Dir bleibt keine Wahl. Das weißt du.«
Ächzend kletterte Meister Johann in den Wagen. Übermütig verkündete Rupprecht: »Verschwinden wir doch alle drei gleich mit Eric! Dann bleibt uns wenigstens der Galgen erspart.«
Entsetzt sah der Feldscher ihn an. »Das ist nicht dein Ernst«, war alles, was er zunächst herausbrachte. Erst nach einer Pause fuhr er fort: »Einfach so abhauen und das Regiment im Stich lassen ist unmöglich. Gerade wenn die Schweden anrücken, wird jeder Feldscher gebraucht. Das können wir nicht tun.«
Da kam Magdalena der rettende Einfall: »Fliehen ist gar nicht nötig! Wir schaffen das auch so.« Aufgeregt sprang sie hoch und trippelte in der Enge des Wagens hin und her, bis sie ihre Gedanken geordnet hatte.
»Was meinst du?« Meister Johann sah sie fragend an. Rupprecht war unterdessen ganz in sich zusammengesunken und tat so, als interessiere ihn das alles nicht.
»Das liegt doch auf der Hand: Der Angriff der Schweden ist unsere Chance! So kurz vor der Schlacht kann es sich der Profos nicht erlauben, uns drei aufzuknüpfen, selbst wenn er sicher ist, dass wir Eric haben entkommen lassen. Viel zu dringend braucht er uns, weil wir im Lazarett als Feldscher unverzichtbar sind.«
»Ja, natürlich!« Rupprecht hob den Kopf und zwinkerte ihr zu. »Seume und seine Leute werden morgen früh wahrlich Wichtigeres zu tun haben, als die Flucht eines simplen Mörders zu rächen.«
»Und selbst wenn sie es wollten, werden ihm der Generalauditor und die Feldherren schon klarmachen, dass es beim Angriff der Schweden anderes zu tun gibt, als ausgerechnet die besten Feldscher des Regiments an den Galgen zu hängen.«
Meister Johann musterte sie nachdenklich.
»Noch dazu, da jedem klar ist, dass Eric gar nicht weit kommen kann.« Die letzten Worte brachte Rupprecht so laut und verächtlich vor, dass Magdalena ihm
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