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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Magdalena und hielt ihn zurück. »Da passiert nichts. Vertrau mir.«
    Im Wageninnern schepperte es erneut. Ein Glas fiel herunter und zerbrach klirrend. Meister Johann reckte wütend die Faust in die Luft und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Besorgt bemerkte sie, dass sein Gesicht dunkelrot angelaufen war, die Adern an den Schläfen pochten. »Von wegen!«, knurrte er und machte Anstalten, weiteres Unheil zu verhindern. Seume stieß ihn allerdings mit einem heftigen Stoß vom Wagenaufbau und sprang mit zornigem Gesicht zu Boden, dicht gefolgt von dem größeren der beiden Steckenknechte.
    »Wo steckt sie?«
    »Was meint Ihr?« Rupprecht schaltete sich ein. Als Einziger hatte er die Szene gelassen aus dem Hintergrund verfolgt. Nun trat er gemessenen Schrittes hervor, verschränkte die Arme vor der Brust und hob stolz den Kopf. Seiner geringen Körperlänge zum Trotz wirkte er in dieser Pose sehr beeindruckend. »Sucht Ihr etwa eine besondere Salbe oder Essenz? Erklärt Euch, Seume. Welcher Art sind Eure Beschwerden? Wir müssen das wissen, damit wir Euch helfen können.«
    Seine dunklen Augen blickten furchtlos. Magdalena biss sich auf die Lippen, um ein Schmunzeln zu verbergen. Rupprecht tat genau das, was in dieser Situation vonnöten war: Er baute Seume eine Brücke, ohne Ansehensverlust aus der Geschichte herauszukommen. Sollte er sich abermals bloßgestellt fühlen, wäre keinem von ihnen geholfen. Seume aber begriff gar nichts. Feine Kleidung allein genügte eben nicht, um über ausreichend Feinsinn zu verfügen. Mit einem verärgerten »Wir gehen!« wollte er den unrühmlichen Auftritt beenden. Das Auftauchen Elsbeths just in diesem Moment hielt ihn jedoch zurück.
    Carlotta auf der Hüfte wiegend, schlenderte die Cousine aufreizend langsam aus einer der Zeltgassen herbei und genoss es offensichtlich sehr, von der gesamten Versammlung beobachtet zu werden. Im letzten Tageslicht funkelten ihre blauen Augen, das Haar glänzte golden. Sie schien zu ahnen, was vor Meister Johanns Wagen vor sich ging, vielmehr zu hoffen, dachte Magdalena spöttisch, dass Seume gerade die gestohlene Tabakdose gefunden hatte. Das betretene Schweigen musste Elsbeth als Bestätigung deuten. Um ihren Mund spielte ein triumphierendes Lächeln. Wie vorhin Seume, so schien auch sie es kaum mehr erwarten zu können, den Lohn ihrer List einzufahren.
    »Was ist denn hier los?«, fragte sie und setzte die Kleine zu Boden. Erfreut lief diese auf unsicheren Beinen zu Magdalena und vergrub das Gesicht in den Falten ihres Leinenrocks.
    »Wonach sieht es denn aus?«, krächzte Roswitha und setzte sich ebenfalls schwankend wie ein einjähriges Kind in Gang, um zu den anderen zu gelangen. Wie so oft stolperte sie über den einzigen Stein weit und breit, rempelte den Kleineren der beiden Steckenknechte an und fiel schließlich mit ausgestreckten Armen Seume entgegen. Wie um sich vor dem direkten Kontakt mit der Hebamme zu schützen, riss er aufgebracht an seinem Mantel. Dabei fiel etwas Goldenes zu Boden. Fassungslos sah er es an, während sich Roswitha bückte und es aufhob.
    »Oh, Eure wertvolle Tabakdose! Da habt Ihr aber Glück, dass sie Euch genau vor die Füße gepurzelt ist. Stellt Euch vor, Ihr hättet sie anderswo im Lager verloren. Nie und nimmer hättet Ihr das gute Stück wiederbekommen. Ehrliche Finder«, damit streiften ihre wässrigen Augen Elsbeth, die mit offenem Mund dastand, »sind nämlich rar geworden in letzter Zeit!«
    Sie vollführte einen unbeholfenen Knicks und reichte Seume die Dose. Er schnappte sie sich, blickte wütend zu Elsbeth, die ihn fassungslos anstarrte, und steckte das kostbare Stück in die Brusttasche seines Wamses. Aus den Augenwinkeln bemerkte Magdalena, wie blass die Cousine geworden war. Offenbar rechnete sie sich gerade aus, was der verpatzte Fund der Tabakdose bedeutete: dass sie sich damit nicht allein die Gunst Seumes gründlich verscherzt hatte, sondern dass auch alle Umstehenden über ihre fehlgeschlagene List Bescheid wussten. Zögernd versuchte sie, sich aus Seumes Blickfeld zu stehlen.
    »Morgen früh also ist der Mann fällig«, rief Seume unterdessen Meister Johann zu, rückte sich den Hut zurecht und winkte den Steckenknechten. Hocherhobenen Hauptes marschierte er den beiden voraus. Der rote Federschmuck seines Hutes wippte wie ein sichtbares Zeichen seines inneren Aufruhrs.
    Schweigend sahen die anderen ihm hinterher. Keiner wagte, sich zu bewegen. Lediglich Carlotta brabbelte vor sich

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