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Die Wundärztin

Die Wundärztin

Titel: Die Wundärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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südwestlichen Rand des Lagers zog in einer schweren Wolke herüber.
    Die Aufregung des Nachmittags hatte sich gelegt. Der Schanzenbau sollte erst bei Anbruch des nächsten Tages fortgesetzt werden, und die Kürassiere waren wohlbehalten von ihrem Übungsritt zurückgekehrt. Während die Tiere sich auf den gutbewachten Weideflächen ausruhten, würfelten und zechten die Reiter wie jeden Abend mit den Fußtruppen auf den verschiedenen Spielplätzen abseits der Zelte. Hin und wieder drang lautes Lachen herüber, auch das Anschlagen eines neuen Weinfasses wurde freudig begrüßt. Flöten und Lauten ertönten, hie und da erklang Gesang. Bald flammten Feuer auf, die für ausreichend Helligkeit sorgten, um die Punktzahlen der knöchernen Würfel zu erkennen. An den Holzspießen drehten sich gerupfte Vögel, selbst ein Kaninchen oder ein Hase fand sich gelegentlich über den Flammen und verströmte trotz des mageren Fleisches einen betörenden Duft. Frauen und Kinder hatten sich zusammengefunden, um Stockbrote zu backen.
    Dass Hagen Seume bei Meister Johann eingetroffen sein musste, verrieten die beiden Steckenknechte, die rechts und links des Zelteingangs postiert waren. Magdalena entdeckte sie bereits aus einiger Entfernung. Breitbeinig standen sie da und versuchten durch ihre martialische Bewaffnung mit Pistole und Pallasch Eindruck zu schinden.
    Im Gegensatz zu ihrem zerrissenen Zustand im Innern gab sich Magdalena nach außen fest und entschlossen. Je näher sie dem Zelt kam, umso grimmiger blickten die beiden Steckenknechte ihr entgegen. Aus dem Innern des Zeltes klangen aufgebrachte Männerstimmen.
    »Was willst du?«, knurrte der größere der beiden, noch bevor sie einzelne Worte verstehen konnte. Drohend sah er sie an und schob seinen breitkrempigen Hut mit dem Zeigefinger nach oben. Im nächsten Augenblick wurde die Zeltplane zurückgerissen, und Hagen Seume schoss heraus. Magdalena sprang zur Seite und rempelte dabei den Steckenknecht an, der sie verärgert wegstieß.
    »Es bleibt dabei: Morgen früh bei Tagesanbruch geht es los«, blaffte Seume. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich den riesigen Schlapphut mit der überlangen roten Feder auf den Kopf und legte die Hand auf den Säbelgriff. Sein Blick fiel auf Magdalena. Einen Atemzug lang blickten sie sich in die Augen, dann verzog er die wulstigen Lippen zu einem hämischen Grinsen. »Da fällt mir noch was Wichtiges ein. Meister?«
    Seine Stimme schraubte sich höher, während er sich zurückdrehte, um den Feldscher direkt anzusprechen, der noch im Zeltinnern stecken musste. Aber erst als Seume sich auffällig räusperte, begriff Meister Johann wohl, was von ihm erwartet wurde. In gebückter Haltung kam er unter der Plane hervor. »Ihr wünscht?« Aufreizend langsam trocknete er die Finger an einem Tuch, jeden einzeln, eifrig darauf bedacht, keinen Tropfen auf der Haut zu übersehen.
    Seume musste beschlossen haben, den offenen Affront zu übergehen. Betont freundlich sagte er: »Lass mich und meine Männer noch einen Blick in deinen Wagen werfen. Zu gern möchte ich sehen, ob du alles für die morgige Tortur bereit hast.«
    Ein Wink zu seinen beiden Knechten genügte. Schon eilten sie zu dem Wagen und kletterten in den Kasten hinauf. Seume baute sich breitbeinig an der Deichsel auf, steckte die Daumen locker in die Gürtelschlaufen und grinste über das ganze Gesicht. Dass er etwas ganz Bestimmtes von der Aktion erwartete, war nicht zu übersehen. Kaum konnte er an sich halten, nicht gemeinsam mit seinen Männern in Meister Johanns Sachen zu wühlen. Zögernd stellten sich Meister Johann und Magdalena neben ihn. Der Feldscher wirkte inzwischen doch beunruhigt, weil er Seumes Absicht nicht erkannte. Magdalena aber wusste genau, was der Profos im Schilde führte. Fehlt eigentlich nur Elsbeth, dachte sie, als sie Rupprecht neugierig aus dem Zelt kommen sah und auch Roswitha mit ihrem typischen Watschelgang wie zufällig um die Ecke bog.
    Die Steckenknechte polterten im Innern des Planwagens, dass Magdalena um die mühsam errungenen Vorräte an Kräutern und Tinkturen fürchtete. Meister Johann wies empört mit der Hand Richtung Plane, da schälte sich der kleinere der beiden Steckenknechte darunter hervor und verkündete enttäuscht »Nichts!«.
    »Wie? Nichts? Was soll das heißen?« Brüsk zerrte Seume ihn herunter und kletterte selbst hinauf.
    »He, was soll das?«, brauste Meister Johann auf. »Was tut ihr da eigentlich?«
    »Lass nur«, flüsterte

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