Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
ausgeflippt und hatte
nicht den Mut, es dir zu sagen. Irgendwie habe ich mich von dem ganzen romantischen Drumherum mitreißen lassen: der filmreife Antrag, die hochfliegenden Hochzeitspläne, alles eben. Ich fand die Vorstellung zu heiraten total schön und so verlockend, dass ich gar nicht lange darüber nachdachte, ob ich das wirklich will. Und dann am Tag vor unserer Hochzeit, als mir auf einmal klarwurde, dass es jetzt tatsächlich so weit war, habe ich Panik bekommen. Die Idee fand ich wie gesagt schön, aber mit der Wirklichkeit des ›für immer‹ kam ich nicht klar. Das soll nicht heißen, dass ich dich nicht geliebt hätte. Ich habe dich geliebt, Rosie – auf meine Art. Aber im Nachhinein muss ich sagen, dass ich die Vorstellung, dich zu heiraten, wahrscheinlich reizvoller fand, als es tatsächlich zu tun. Selbst wenn ich es damals durchgezogen hätte, wäre ich vermutlich nicht lange geblieben – und das ist gar nicht gegen dich gemeint, Rosie, ehrlich nicht. Ich war damals einfach noch nicht so weit. Ich hatte das Gefühl, in einem Eisenbahnwagen zu sitzen, der vom Gleis abgekommen und doch nicht zu stoppen ist. Mir blieb nur eine Wahl, um nicht geradewegs in mein Verderben zu rasen: abspringen.«
Ungläubig starrte ich den Mann an, der vor sechseinhalb Jahren gerade noch rechtzeitig – wie er es nannte – aus meinem Leben abgesprungen war, und auf einmal ergab so vieles einen Sinn, was ich mir zuvor nicht hatte erklären können. Vielleicht hätte ich genauer hinsehen und nachfragen sollen, als David bei unseren Hochzeitsplänen mit der rasenden Geschwindigkeit eines Schnellzugs vorangeprescht war. Vielleicht hätte ich dann damals schon diese Angst in seinen Augen entdeckt, die ich auch jetzt darin sah.
»Du hättest es mir sagen sollen, David. Wir hätten gemeinsam eine Lösung gefunden – zumindest hätten wir das Debakel am Hochzeitstag vermeiden können.«
»Mein Vater meinte, du wärst unglaublich gewesen«, sagte er nach kurzem Zögern und ließ meine Hand los. »Völlig gefasst und unerschrocken hättest du dich um alles gekümmert, sogar den Gästen mein plötzliches Verschwinden einigermaßen plausibel erklärt – er meinte, ich hätte dich gar nicht verdient.«
»Oh«, erwiderte ich und schaute ihm unverwandt in die Augen. »Davon hat er mir nichts gesagt. Dein Vater hat mir eine Abfindung gezahlt und mich rausgeschmissen.« Ich merkte, dass ich langsam so weit war, David zu verstehen und ihm zu verzeihen, aber wie sein Vater sich mir gegenüber verhalten hatte, würde ich wohl nie vergessen können. »Ich habe von deiner Familie nie wieder etwas gehört. Mir kam es so vor, als würden sie mich an deiner Stelle bestrafen. «
»Ich weiß, ich weiß … Glaub mir: Ich hatte deswegen schon so einige Auseinandersetzungen mit meinem Vater. Seine Reaktion war nicht in Ordnung. Für ihn stand der Ruf seiner Familie auf dem Spiel, und da ist er in Panik geraten und hat ziemlich unbedacht gehandelt. Er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat. Genau genommen war er es, der mich auf den Artikel über dich in der New York Times aufmerksam gemacht hat. Sonst hätte ich dich gar nicht gefunden. Kannst du mir jemals verzeihen, Rosie?«
Ich seufzte tief und lächelte ihn an. »Weißt du was? Ich glaube, ich habe dir bereits verziehen.«
21
Nachdem die Aufregung um den Großen Winterball vorbei war, fand ich endlich Zeit für meine ganz persönlichen Weihnachtsvorbereitungen. Obwohl ich sonst in allen Lebenslagen ziemlich gut organisiert bin, macht es mir richtig Spaß, meine Weihnachtseinkäufe so richtig unorganisiert anzugehen. Weil bei Kowalski’s vor den Feiertagen so viel los ist, komme ich meist sowieso erst kurz vor Weihnachten dazu. Und irgendwie hat es ja seinen eigenen, ganz besonderen Reiz, in allerletzter Minute auf Geschenkejagd zu gehen. Die Hektik gehört für mich auch ein bisschen zum Weihnachtszauber. Und folglich findet man mich alle Jahre wieder am Heiligabend durch die Geschäfte hetzen, auf der Suche nach Geschenken für meine Lieben.
So auch dieses Jahr. Den ganzen Vormittag hatte ich in den kleinen Läden, Boutiquen und Buchhandlungen der Upper West Side nach Geschenken, Grußkarten und Geschenkpapier gestöbert, danach noch bei Zabar’s meine Feiertagsvorräte aufgestockt, bevor ich mich mit meinen Tüten und Taschen in ein Taxi plumpsen ließ und mir den Luxus gönnte, mich das kurze Stück bis zu meiner Wohnung chauffieren zu lassen. Während meine betagte
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