Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
Kaffeemaschine sich schnaufend an die Arbeit machte, räumte ich
den Esstisch frei, schnappte mir Schere und Klebeband und fing an, meine Funde festlich zu verpacken. Diesen Teil der Weihnachtsvorbereitungen mag ich ganz besonders – es ist ein richtiger kleiner »Produktionsprozess«: Auswahl und Kauf der Geschenke, Einpacken der Geschenke, Schreiben von Grußkarten und Geschenkanhängern. Es ist ein richtiges Weihnachtswunder, dass aus prallgefüllten Tüten und Taschen ein kleiner Stapel weihnachtlich verpackter, wunderbar verlockender Geschenke entsteht. Dieses Jahr schrieb ich die Namen der Empfänger mit Goldstift auf große grün glänzende Stechpalmenblätter, die ich mit brauner Paketschnur an die Päckchen band. Nach einer Stunde eifrigen Schneidens, Einwickelns, Klebens und Beschriftens lehnte ich mich zufrieden zurück und betrachtete mein kleines Weihnachtswunder.
Nach einem schnellen Lunch aus Tomatensuppe und Rosmarin-Focaccia packte ich die fertigen Geschenke vorsichtig wieder in die Tüten, aus denen sie eben gekommen waren, lief nach unten und winkte ein Taxi herbei.
»Soll es auf Geschenketour gehen?«, fragte mich der Fahrer mit Blick auf meine Tüten und strahlte übers ganze Gesicht.
»Ja«, erwiderte ich lächelnd. »Wäre es okay, wenn ich Sie pauschal für den ganzen Nachmittag bezahle?«
»Ob es okay wäre? Ob es okay wäre? Natürlich ist es okay! Sie sind praktisch mein verfrühtes Weihnachtsgeschenk – meine Frau wird sich freuen. Sie liegt mir seit Wochen wegen diesem Hut in den Ohren, den sie bei Bloomingdale’s gesehen hat. ›Tony, entweder du schenkst mir diesen Hut zu Weihnachten, oder ich verlasse dich für Marco.‹ Marco ist mein Cousin. Aber sie wird mich niemals für Marco verlassen, das weiß ich. Marco ist ein Idiot, und ich mache die beste Lasagne außerhalb von Neapel. Außerdem
sieht meine Tante Maria wie ein Elch aus, und meine Frau will keinen Elch als Schwiegermutter, darauf können Sie Gift nehmen. Also kein Grund zur Sorge, Tony, sage ich mir immer. Ich bin außer Konkurrenz. Wo soll es denn als Erstes hingehen?«
Allem Anschein nach hatte meine Gewohnheit, meine Geschenke auf den letzten Drücker zu kaufen und zu verteilen, auf meine Freunde abgefärbt: Celia sei nicht zu Hause, sondern besuche heute ihre Familie, teilte mir ihre Nachbarin Mrs Andrews mit, bei der ich auch das Geschenk hinterließ. Mrs Andrews versprach mir, es Celia zu geben, sobald sie zurück wäre. Marnie und ihre Schwester hatten sich in das Getümmel bei Macy’s gestürzt, weshalb ich ihr Geschenk durch den Briefschlitz warf – wie gut, dass ich ihr etwas Kleines und Robustes gekauft hatte. Und Ed war gerade auf dem Sprung, um noch ein paar Sachen zu erledigen, schlug mir aber vor, später bei mir vorbeizukommen und sein Geschenk abzuholen . Also nahm ich sein Geschenk wieder mit, verteilte meine restlichen Päckchen, und nachdem ich mit meiner Runde durch war, fuhr Tony mich wieder nach Hause.
»Fröhliche Weihnachten«, wünschte ich ihm, als ich den vereinbarten Preis plus ein großzügiges Trinkgeld bezahlte. »Ich hoffe, Ihre Frau freut sich über den Hut.«
»Wenn nicht, verlasse ich sie für ihre Cousine Margarita«, grinste Tony. »Schöne Feiertage!«
Obwohl es erst am Weihnachtstag die Geschenke gab, mochte ich schon als Kind den Heiligabend viel lieber. Vielleicht hatte das mit meinen Weihnachtsmannfantasien zu tun oder damit, dass nach all der Vorfreude das eigentliche Weihnachtsfest fast immer ein bisschen enttäuschend war. Heiligabend ist für mich nach wie vor der schönste Tag des
Jahres: voller kindlicher Vorfreude, sentimentalen Erinnerungen und häuslicher Behaglichkeit.
Zu meinen Heiligabendritualen gehört die alljährliche Zubereitung eines Weihnachtsschinkens, den ich mit Nelken spicke und mit Lorbeerblättern gare, um am Weihnachtsmorgen damit den Truthahn zu füllen. Das mache ich seit meiner Zeit in London, wo ich das Rezept von einer Freundin bekommen habe. Das herzhafte Schinkenaroma lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen und versetzt mich sofort in Weihnachtsstimmung – ebenso wie Früchtekuchen und Plätzchen. Ich liebe es, aus Mehl, Mandeln und Gewürzen kleine Pasteten und Plätzchen zu zaubern, die sich zum Auskühlen blecheweise in meiner Küche stapeln und mit ihrem Weihnachtsduft die ganze Wohnung erfüllen.
Als Früchtekuchen und Plätzchen aus dem Ofen waren und dafür der Schinken darin schmorte, ging ich hinüber ins
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