Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
rufen.
»Rosie! Rosie, warte auf mich!«
Ich drehte mich um und sah David die mit Teppich bespannten Stufen hinabspringen und auf mich zueilen. Da ich ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, blieb ich stehen und wartete auf ihn.
»Kein Taxi in Sicht, was?«, bemerkte er, noch ganz außer Atem von seinem kleinen Sprint.
»Nein, und wahrscheinlich auch nicht die beste Zeit, eines zu finden.«
»Du siehst total verfroren aus. Hier, nimm meinen Mantel.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Geht schon.«
Sein Lachen klang eher verletzt als belustigt. »Jetzt sei nicht dumm.«
»Nein, wirklich, mir ist nicht kalt. Taxi!« Das gelbe Taxi brauste an mir vorbei.
»Rosie, ich habe dir lediglich meinen Mantel angeboten, und du tust, als wollte ich dir sonst was.«
Ich drehte mich zu ihm um und versuchte, Leben in mein vor Kälte erstarrtes Gesicht zu bringen und die Gänsehaut auf meinen Armen verschwinden zu lassen. »Danke, aber ich brauche deinen Mantel nicht.«
David schüttelte resigniert den Kopf. »Warum musst du es einem eigentlich immer so schwermachen, Rosie?«
Entgeistert schaute ich ihn an, bevor ich meinen Blick wieder auf die Straße richtete. Meine Hände waren mittlerweile taub vor Kälte und meine Füße längst dem Nachtfrost erlegen.
»Okay, mach, was du willst, aber ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du dir hier den Tod holst. Reg dich nicht auf, es ist nur zu deinem Besten.« Er zog seinen dunkelgrauen Mantel aus und legte ihn mir um die Schultern. Mittlerweile war ich so starr vor Kälte, dass ich keinen Protest
mehr einlegte. Ja, ich war sogar dankbar für die Wärme, die mich plötzlich umfing.
Und dann wich auf einmal alle Wut und alle Anspannung von mir, und mir wurde bewusst, wie absurd die Situation war. Plötzlich fing ich zu kichern an und konnte gar nicht mehr aufhören. Mein Atem stieg in weißen Wolken in die frostige Nachtluft auf. Schnaufend rang ich nach Luft und versuchte mich zu beruhigen. Ich zog Davids Mantel fester um mich, stampfte ein paarmal mit den Füßen auf, um mein Blut wieder bis in meine Zehen zu locken, und drehte mich schließlich zu David um. Sein Gesicht war göttlich. »Jetzt machst du mir aber wirklich Angst. Soll ich einen Arzt rufen?«
Seine Besorgnis löste bei mir einen neuen Lachanfall aus. »Nein … nein, alles in Ordnung, keine Sorge. Ich hatte nur einen echt langen Tag. Danke. Für den Mantel, meine ich. Der ist wirklich schön warm.«
»Anstrengender Abend, was?«
»Könnte man so sagen, ja.«
Er vergrub die Hände in den Taschen seines Smokings und schaute die Straße hinab. »In welche Richtung musst du?«
»Ich … ach, eigentlich egal. Hauptsache weit weg von Mimi Suttons strahlender Präsenz.«
Davids Lächeln war so warm und mir gerade ebenso willkommen wie sein Mantel. »Kann ich gut verstehen. Es ist mir ein Rätsel, wie Nate sie ertragen kann – noch dazu als seine künftige Schwiegermutter.« Er schaute mich fragend an. »Ich habe dich vorhin mit Caitlin Sutton reden sehen.«
Allein von der Erwähnung ihres Namens bekam ich Nackenverspannungen. » Sie hat mit mir geredet, um genau zu sein. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie mich besonders mag.«
»Wegen Nate?«
Das ging mir jetzt doch ein bisschen zu weit. Ich merkte, wie ich sofort in die Defensive ging. Aber Davids Mantel war einfach zu warm und behaglich, um jetzt einen Streit anzufangen, also wählte ich die diplomatische Lösung und wechselte einfach das Thema. »Ach, ich hatte einfach nur einen anstrengenden Tag und war nicht unbedingt in Partylaune. Die Vorbereitungen für den Ball … so ein großes Projekt hatten wir noch nie. Am liebsten hätte ich es mir gleich danach zu Hause mit einem Kakao gemütlich gemacht und wäre dann früh ins Bett gegangen.«
David klatschte munter in die Hände. »Ausgezeichnete Idee!«
Wie bitte? Fragend schaute ich ihn an.
»Na, der Kakao. Meinetwegen auch ein Kaffee. Da vorne um die Ecke ist ein nettes kleines Diner. Wir könnten was Warmes trinken und eine Kleinigkeit essen – immerhin lassen wir uns gerade Mimi Suttons Festbankett entgehen.«
Ich zögerte. Dies war der Mann, vor dessen Betrug ich seit sechseinhalb Jahren auf der Flucht gewesen war. Jahrelang hatte ich Angst davor gehabt, ihm eines Tages wieder zu begegnen. Doch nun, da geschehen war, wovor ich mich so lange gefürchtet hatte, stellte ich fest, dass David keine Bedrohung mehr darstellte. Eigentlich hatte ich unser Wiedersehen recht unbeschadet
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