Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
irgendwelche Erklärungen abgegeben? Hat er sich entschuldigt? Oder war er ganz der alte arrogante David Lithgow, wie wir ihn alle kennen und lieben? Oder hassen.«
»Er hat sich entschuldigt. Auf seine Art. Er war ziemlich zerknirscht. Er hat mir erklärt, was passiert war, und gesagt, dass es ihm leidtäte. Er ist nicht mehr so wie früher – er ist reifer und nachdenklicher.«
»Und was hast du zu ihm gesagt?«
»Ich habe ihm ziemlich genau erklärt, wie ich mich damals gefühlt habe. Leicht habe ich es ihm nicht gemacht.«
»Aber du warst mit diesem Typen einen Kaffee trinken! Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht?«
»Ben, entspann dich! Das hatte sich einfach so ergeben. Aber es war gut. Wir hatten endlich Gelegenheit, offen über alles zu reden, und ich hatte das Gefühl, dass etliche Geister der Vergangenheit nun ruhen können.«
»Oh, Rosie … du klingst, als fändest du ihn noch immer toll.«
Wie bitte? Ich konnte es kaum fassen, dass Ben das auch nur denken konnte! »Spinnst du? Nein, natürlich nicht. Durch unsere Gespräche ist mir vielmehr klargeworden, dass ich nichts dergleichen mehr für ihn empfinde. Außerdem habe ich den Auftrag für seine Hochzeit angenommen – das hätte ich wohl kaum getan, wenn ich immer noch in ihn verliebt wäre, oder?«
»Wahrscheinlich nicht. Pass bloß auf, Rosie. Es freut mich, dass ihr euch ausgesprochen habt – es freut mich wirklich. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er sich groß verändert hat. Leute wie David ändern sich nicht.«
»Jeder macht mal einen Fehler, Ben. Ich muss ihm einfach glauben, was er mir erzählt hat. Ich will es ihm glauben! Wie sollte ich sonst je einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen?«
Ein langer, tiefer Seufzer bahnte sich seinen Weg von Boston direkt in mein Ohr. »Ich will nur nicht, dass du jemals wieder so etwas wie damals durchmachen musst, okay?«
»Ja, ich weiß. Danke.«
»Und wie geht es Ed so?«
Das war eine komische Frage, fand ich. Ben hatte Ed
zwar ein paarmal getroffen, als er in New York war, und sie hatten sich ganz gut verstanden – nicht zuletzt weil sie sich beide für Baseball begeisterten. Aber Ben hatte sich noch nie nach Ed erkundigt, schon gar nicht an Weihnachten. »Ähm … ganz gut, glaube ich.«
»Ich frage nur, weil du ihn in deinen letzten Mails ziemlich oft erwähnt hast.«
»Echt?«
Ben lachte. »Nö, nur ungefähr in jedem zweiten Satz. Läuft da was zwischen euch?«
» Quatsch. Natürlich nicht!«
»Ich meinte ja auch nur, dass du häufiger von ihm erzählt hast.«
Obwohl Ben es nicht sehen konnte, schüttelte ich den Kopf. »Wir arbeiten zusammen, Ben. Und in letzter Zeit war wirklich viel los. Vielleicht deshalb.«
»Na ja. Dann erzähl mir doch mal von diesem Nate.«
Viel zu erzählen gab es da nicht. Seit dem Großen Winterball hatte ich nicht viel von ihm gehört oder gesehen – und das kam mir ehrlich gesagt auch ganz gelegen. Ben und ich plauderten noch ein bisschen, und später am Abend rief dann noch Mum an. Sie erstattete wie üblich darüber Bericht, was sie so gemacht und wen sie gesehen hatte, was sie über Weihnachten vorhatte und so weiter – aber irgendwie klang sie anders als sonst.
Als sie fertig war, fragte ich sie, was los sei.
»Oh, gar nichts«, erwiderte sie wenig überzeugend.
»Komm schon, Mum – ich weiß, dass du dir wegen irgendetwas Sorgen machst.«
Schweigen. Und dann: »Ich glaube, James steckt in Schwierigkeiten.«
Meine gute Heiligabend-Laune war wie weggeblasen. »Wie kommst du darauf? Hat er was gesagt?«
»Nein, natürlich hat er nichts gesagt , Rosie, es ist nur … Als ich heute Morgen mit ihm gesprochen habe, war er sehr … ausweichend.«
»Inwiefern?«
»Als ich ihn fragte, was er über Weihnachten mache, hat er nur vage geantwortet. Und du kennst deinen Bruder: Normalerweise erzählt er einem immer lang und breit, zu welchen tollen Partys er eingeladen ist und mit welchen tollen Frauen er sich trifft und so weiter. Aber heute nichts dergleichen. Mir kam es fast so vor – und nenn mich ruhig paranoid, wenn ich das sage –, aber mir kam es so vor, als wäre er sauer, dass ich ihn überhaupt gefragt hatte. Und dann hat er mich unter einem absolut lächerlichen Vorwand abgewimmelt – er wäre gerade auf dem Sprung zu einem Meeting, hat er gesagt. An Heiligabend, ich bitte dich! Weißt du, was da los ist? Hat er vielleicht etwas gesagt, als er dich besucht hat?«
Ich entschied mich, Mum
Weitere Kostenlose Bücher