Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
noch wäre das undenkbar gewesen – nicht einmal den nur für mich bestimmten Seiten meines Tagebuchs hatte ich meine wahren Gefühle anvertrauen können. Vielleicht hatte ich sie mir ja selbst nicht eingestanden.
Diese Erkenntnis gab mir gewaltigen Auftrieb, und ich machte mich im Januar mit ungeahnter Energie an die Arbeit. Unser Auftragsbuch war so voll wie schon seit Jahren nicht mehr – bis zu Davids Hochzeit im März standen allein drei weitere große Events an. Es versprach, ein wirklich fantastisches Jahr zu werden – zumal mich der Gedanke an die Lithgow-Hochzeit nun nicht mehr in Angst und Schrecken versetzte.
Gleich am ersten Arbeitstag erzählte ich Marnie und Ed von meinem geheimnisvollen Weihnachtsgeschenk, doch beide behaupteten, nichts davon zu wissen. Celia war natürlich total begeistert, dass mir etwas so unvorstellbar Romantisches passierte – sie ging sofort davon aus, dass nur Nate der mysteriöse Absender sein konnte. Ich war mir da nicht so sicher. Woche um Woche verging, und der Januar neigte sich bereits dem Ende zu, doch Nate machte sich rar, und von ein paar unverbindlichen SMS abgesehen hörte ich wenig von ihm. Anzunehmen, dass er mir sozusagen durch die Blume etwas hatte sagen wollen, erschien mir geradezu lächerlich. Und irgendwann hörte ich auf, mir darüber Gedanken zu machen, weil so viel anderes anstand. Bei Kowalski’s war so viel los, als hätte das Weihnachtsgeschäft sich bis ins neue Jahr verlängert. So etwas hatten weder ich noch mein Team je zuvor erlebt. Dank des höheren Umsatzes konnten wir es uns leisten, zwei der Aushilfen fest einzustellen – mussten es sogar, denn allein hätten wir die Arbeit gar nicht bewältigen können.
Ed erwähnte die große Unbekannte zwar nicht mehr, aber irgendwie war er anders als sonst – zurückhaltender, nachdenklicher. Seinen unverwechselbaren Humor hatte er glücklicherweise nicht verloren, weshalb ich mir sagte, dass er wohl einfach Zeit brauchte, um sich über alles klarzuwerden, und mich schon um Rat fragen würde, wenn er ihn hören wollte. Obwohl ich mich für ihn freute, meinte ich doch eine wachsende Distanz zwischen uns zu spüren. Unmerklich schien er sich von mir zu entfernen – wie eine Eisscholle, die sich im Frühjahr löst und nun langsam davondriftet.
Nun, da mir die Sache mit David nicht mehr auf der Seele lastete, zeigte sogar mein Herz wieder ganz ungeahnte Regungen. Immer öfter verspürte ich das Bedürfnis, mir
über meine Zukunft Gedanken zu machen und zu überlegen, wohin ich eigentlich wollte. In meinen zuversichtlicheren Momenten ertappte ich mich gar dabei, die Möglichkeit zu erwägen, mich wieder zu verlieben – doch solche Gedanken währten nur kurz und wurden bis auf weiteres auf Eis gelegt, sowie mich meine alten Bedenken und Unsicherheiten wieder einholten. Zu erleben, wie Ed sich seiner großen Unbekannten näherte – im Schneckentempo, aber immerhin – , erfüllte mich mit einer seltsamen Mischung aus Wehmut und Hoffnung. Wenn sogar der große Eisberg persönlich jemanden in sein Herz lassen konnte, bestand vielleicht auch für mich noch Hoffnung.
Am letzten Tag des Januars hörte ich dann endlich von meinen Bruder – allerdings nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte.
Es fing damit an, dass ein paar Journalisten bei Kowalski’s anriefen und mich sprechen wollten (Ed wimmelte sie alle erfolgreich ab), dann tauchten die ersten im Laden auf und versuchten ein Exklusivinterview zu ergattern. Ich hatte mich längst in die Werkstatt geflüchtet, während Ed, Marnie und Jack im Laden die Stellung hielten und eisern behaupteten, ich wäre nicht da. Von einer Nachbarin hatte ich mittlerweile erfahren, dass die Presse sogar schon meine Straße belagerte, weshalb ich nicht mal mehr nach Hause konnte. Celia schickte einen Wagen zum Hintereingang des Ladens, und ich fuhr direkt zu ihr in die Redaktion. Als ich ankam, lief die Geschichte bereits auf CNN und ABC, kurz darauf auch bei der BBC.
Aber auch da begriff ich zunächst nicht, worum es eigentlich ging. Nachdem ich Celia eine halbe Stunde lang zu beschwichtigen versucht hatte – sie machte sich schwere Vorwürfe, mir das wahre Ausmaß der Gerüchte verschwiegen
zu haben –, hatte sie sich schließlich so weit beruhigt, dass sie mich über die näheren Umstände des Skandals aufklären konnte, der sich da zwischen Washington und New York anbahnte.
»James soll eine Affäre mit Elizabeth Darnek haben, der Frau von Senator John
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