Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
Weihnachten nicht vollends zu verderben, und erzählte ihr nichts von dem nächtlichen Telefonat, das ich mitangehört hatte, oder von den rätselhaften Andeutungen, die Celia hatte fallenlassen. »Nein, er hat mir nichts erzählt, Mum. Mach dir keine Sorgen, es ist bestimmt halb so wild. Wahrscheinlich hat er gerade Stress mit einer seiner Freundinnen und wollte nicht darüber reden.«
»Hoffentlich hast du Recht«, seufzte meine Mutter. »Versprichst du mir, mich auf dem Laufenden zu halten, wenn du was von ihm hörst? Du bist näher dran als ich. Ach, ich fühle mich schrecklich, weil Washington so weit weg ist und ich mich so gar nicht um ihn kümmern kann!«
Ich versprach ihr, ein Auge auf James zu haben, und bald danach legten wir auf. Schweren Herzens ließ ich mich in meinen Sessel zurücksinken und rieb mir die Augen. Es war
Weihnachten! Ich wollte meine Ruhe und mich nicht mit all den Problemen befassen müssen, die meine Gedanken vereinnahmten: Davids plötzliche Rückkehr in mein Leben, das in letzter Zeit seltsame Verhältnis zu Ed – und jetzt noch James! Ich wollte ruhige und beschauliche Weihnachten, ich wollte die Feiertage genießen, bevor das neue Jahr mit alter Betriebsamkeit begann.
Der Weihnachtsmorgen zog sonnig und klar herauf, aber in der Nacht musste es sehr kalt gewesen sein, denn der Schnee war von einer feinen Eisschicht überzogen, die im blassen Dezemberlicht funkelte. Ich war schon früh wach, denn obwohl ich den Tag allein verbringen würde, wollte ich ihn bis zur letzten Minute auskosten. Ich schlüpfte in meinen superweichen weißen Bademantel, der mir ein paar Nummern zu groß und somit extra kuschelig war, und schlurfte in Pantoffeln hinüber ins Wohnzimmer, wo ich erst mal die Lichter am Weihnachtsbaum anmachte und mich einen Moment an meinem schönen, nach Fichtennadeln duftenden Baum erfreute. Dann schnappte ich mir den Stapel Weihnachtskarten vom Kaminsims und schlurfte weiter in die Küche, wo ich Hissy unbarmherzig aus dem Schlaf riss und zu morgendlicher Aktivität zu überreden versuchte. Meinen dampfenden Kaffeebecher in der einen, ein paar Früchtekuchen in der anderen Hand, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück und machte es mir am Esstisch bequem.
Dann fiel mir Eds Geschenk wieder ein. Ich stand auf, holte es unter dem Weihnachtsbaum hervor und setzte mich wieder, um es auszupacken. Unter dem Papier kam eine kleine, mit rotem Samt bezogene Schatulle zum Vorschein. Vorsichtig öffnete ich den Deckel. Auf einem Kissen aus schwarzem Samt lag eine antike Brosche in Form
einer Rose – die Blüte aus Rosenquarz, Blätter und Stiel aus grünem Strass. Ich musste daran denken, wie wir vor ein paar Monaten an einem unserer Sonntage in einem kleinen Antiquitätenladen in Greenwich Village gewesen waren und Ed sich köstlich darüber amüsiert hatte, wie ich beim Anblick einer ganzen Vitrine dieser teils kitschigen, teils wunderschönen, bunt schillernden und funkelnden Schmuckstücke ganz aus dem Häuschen gewesen war vor Entzücken.
»Du bist eben doch ein richtiges Mädchen «, grinste er.
»Stimmt«, erwiderte ich lächelnd. »Ich bin ganz verrückt nach diesem alten Kram. Meine Oma meinte immer, dass man solchen liebevoll gearbeiteten Schmuck heutzutage gar nicht mehr bekommt, und da muss ich ihr Recht geben. Moderner Modeschmuck sieht oft nur billig aus, aber das hier … das ist zauberhaft . Wenn du so etwas trägt, fühlst du dich wirklich wie eine kleine Prinzessin.«
Als ich die Brosche nun in den Händen hielt, überkam mich dieselbe kindliche Begeisterung, die ich auch damals im Laden empfunden hatte. Das war das ungewöhnlichste Geschenk, das Ed mir je gemacht hatte, und es rührte mich zu Tränen. Ich war wirklich ein richtiges Mädchen! Lachend wischte ich mir die Tränen von den Wangen und nahm mir wieder meine Weihnachtskarten vor.
Ich hatte gerade mal die Hälfte aufgemacht, als es an meine Wohnungstür klopfte. Ich ging zur Tür, doch als ich öffnete, war niemand da. Vielleicht ein paar Kinder aus dem Haus, die sich den Weihnachtsmorgen mit kleinen Scherzen vertrieben, dachte ich mir und wollte die Tür gerade wieder zumachen, als ich zu meinen Füßen einen kleinen Weidenkorb entdeckte, darin ein wunderschönes Arrangement aus winterweißen und weihnachtsroten Rosen und tannengrünen Palmblättern. Als ich mich bückte, um es aufzuheben,
entdeckte ich zwischen den Blumen eine Karte. Ich machte den Umschlag auf, ging zurück in meine Wohnung und las
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