Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
mal kurz umzudrehen, und schon haust du mit einem anderen ab«, scherzte er. »Soll ich das persönlich nehmen?«
Ich hakte mich bei ihm unter, lächelte ihn an und versuchte alles zu verdrängen, was mir eben noch durch den Kopf gegangen war. »Du solltest dich lieber geehrt fühlen, dass du es bist, der mich nach Hause fahren darf.«
27
Eine Woche nach Davids Hochzeit stand wieder eine Lieferung von Patrick’s an. Als wir frühmorgens die Kisten in den Laden trugen, entging mir nicht, wie Marnie und Zac sich schüchtern anlächelten und sogar ein paar Worte miteinander wechselten.
Ed fing meinen Blick auf. »Hey, fällt dir auch was auf …?« Er nickte hinüber zu Marnie und Zac.
»Hmmm, ich weiß. Sieht so aus, als hätte sie sich deinen brüderlichen Rat zu Herzen genommen.«
»Wurde auch Zeit, dass endlich mal jemand auf mich hört«, meinte er und zwinkerte mir zu.
Als alles verstaut und der Lieferschein unterschrieben war, gingen Zac und Marnie wieder hinaus zum Wagen. Der Himmel war den ganzen Morgen schon bleiern grau gewesen, und jetzt fing es auf einmal richtig an zu schütten. Der Regen strömte am Schaufenster hinunter und prasselte auf den Gehweg. Wenn es in New York regnet, fängt alles an zu leuchten. Die Farben strahlen, und im glänzenden Asphalt spiegeln sich das satte Gelb der Taxis und das Rot der Bremslichter. Die Stadt wirkt wie eine perfekte Filmkulisse, in der nun plötzlich Marnie und Zac zu Stars in ihrem ganz privaten Stummfilm wurden – direkt vor dem Schaufenster von Kowalski’s.
Ed und ich hatten wie üblich herumgealbert, doch plötzlich verstummten wir, und eine fast andächtige Stille senkte sich über uns, als wir wie gebannt zuschauten, was sich da draußen abspielte.
Zac hatte seine Jacke ausgezogen und sie Marnie gegeben, die sie sich weit ausgebreitet über den Kopf hielt. Mittlerweile goss es wirklich in Strömen, Zac war bis auf die Haut durchnässt, und seine normalerweise blond verstrubbelten Haare klebten ihm am Kopf – aber wenn man seine strahlende Miene sah, hätte man meinen können, er sonnte sich im schönsten, wärmsten Sommerwetter. Die Arme vor der Brust verschränkt, schaute er Marnie an, als würde sie all seine Träume verkörpern. Jedes ihrer Worte schien ihn zu überraschen, zu erfreuen, glücklich zu machen. Während sie sich unterhielten und lachten, merkten wir, wie sie sich kaum merklich immer näher kamen, wie ihre Körpersprache mal forsch, mal schüchtern war.
Für Ed und mich war es schon komisch, gemeinsam mitzuerleben, wie sich direkt vor unseren Augen eine Beziehung anbahnte. Eigentlich war es eine schöne Erfahrung, und ich merkte, dass wir beide von dem Charme des Ungewissen wie verzaubert waren. Wir empfanden Freude über Marnies Glück, das so offensichtlich war, Verwunderung darüber, wie einfach es im Grunde doch war, vielleicht sogar eine leise Wehmut, ein leises Bedauern … Wie immer gab Eds Miene wenig von seinen Gefühlen preis, doch ich glaubte, den emotionalen Aufruhr hinter dem sorgsam gefassten Äußeren zu spüren. Ich fragte mich, ob er wohl gerade an die große Unbekannte dachte. Stellte er insgeheim Vergleiche an zwischen Marnies und Zacs Unterhaltung und den Gesprächen, die er gewiss mit ihr führte, oder suchte er Inspiration dafür, wie er es machen wollte, wenn er ihr seine Gefühle offenbarte? Schwer zu sagen – und eigentlich wollte ich auch gar nicht
weiter darüber nachdenken. Und was mich anging … Nun, so sehr es mich auch freute, jemanden aus der Kowalski-Familie so verliebt zu sehen, wurde mir doch das Herz ganz schwer bei der Vorstellung, dass Marnie – ebenso wie Ed – ein neues Glück gefunden hatten, dass beide nun Mitglieder im Club der glücklich Liebenden waren – einer exklusiven Gesellschaft, zu der ich wohl nie dazugehören würde.
Die Szene an der Ecke von West 68th und Columbus ging noch eine Weile in all ihrer stillen Pracht weiter, unbeachtet von den Passanten, die im Regen vorübereilten und keinen Blick hatten für die wunderbare Liebesszene, die sich direkt vor ihren Augen abspielte.
Schließlich verschwand Zac kurz im Lieferwagen und kam mit einer leuchtend orangefarbenen Gerbera wieder heraus, die er Marnie überreichte. Dann beugte er sich vor und küsste Marnie auf die Stirn. Ed und ich wandten uns instinktiv ab, als wollten wir diesen zärtlichen Augenblick nicht stören. Als wir dann doch wieder hinschauten, fuhr der Lieferwagen bereits davon, und Marnie winkte ihm
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